VIII. Der betrogene Jude.

[10] Es hat sich vor kurtzer Zeit in Hamburg begeben /daß ein sehr ansehnlicher Cavallier in einer fürnehmen[10] Herberge eingekehret / und einen grossen schweren Kuffer unter andern mit sich bringet. Er lässet sich wohl bedienen / und ein jeder meinet / er sey ein fürnehmer Herr. Am folgenden Tage lässet er einen wohlhabenden Jubilirer / Judischen Glaubens / zu sich kommen / und begehret eine Quantität von allerhand Edelgesteinen / zu einem Fürstlichen Verlöbnüß / wie er fürwendet / zusehen. Der Jude bringet ihm einen grossen Schatz an Jubelen / welche der Gast besiehet / und weil sie ihm gleichsam nicht allesambt anstehē / kieset er etliche darauß / und überreichet dem Juden die Ubrigen / darauf erstehet er eine ins Auge gelegte Spiel-Karte / nimbt sie zur Hand / und nöthiget den Juden zum Spiel. Nach einem kleinen wegern / setzet sich der Jude zu ihm / und ob gleich der Satz nicht hoch gewesen / nimmet doch der Cavallier / nachden er etliche Spiele verlohren / Gelegenheit zu seinem grossen Kuffer zu gehen / daselbst eröffnet er einen Beutel / und langet etliche Ducaten /auß einem andern grössern aber viel Krönen herauß /gibt auch durch sein Gerassel zu verstehen / daß der gantze Kuffer mit Geld angefüllet / woran der Jude einen ziemlichen Schmack hatte. Endlich / alß der Jude wohl 3 oder 4 Reichsthaler gewonnen / gehet er seines Wegs / sambt den außgeschossenen Jubelen /und verspricht / am folgenden Tag sich mit noch einer andern Qvantität einzufinden. Er bringet auch allerhand Sorten zusammen / und besuchet darauff seinen vorigen Käuffer wieder. Diesem stehen allen Jubelen wohl an / er fängt nochmahl mit dem Juden an zuspielen / und tractiret ihn höfflich / daß der Jude ein grosses Vergnügen an dem freundlichen Wesen dieses ihm eingebildeten fürnehmen Herrn hat; zuletzt nimmet er Abschied / und überlässet auch dem Käuffer die Jubelen auff dessen Begehren / sintemahl er fürgegeben / ermüsse[11] sie sehen / und von einem andern taxiren lassen / der solches in des Fürsten Nahmen muste thun. Am folgenden Tage solte er wieder kommen / und eine gute Summe Geldes empfangen. Inzwischen gehet der Cavallier mit den Jubelen zum Hause hinauß / und soll auch noch wiederkommen. Wie der Jude am andern Tage kommet / findet so wohl er / alß der Gastgeber ein ledig Nest / und weil ihnen nicht gar wohl bey der Sachen / erbrechen sie den Kuffer / und finden lauter Kupferstück in verschiedenen grossen und kleinen Beuteln. Der Verlust des Hauß-Wirths war zwar zu ertragen / aber des Juden Schade erstreckete sich auff etliche 1000 Reichsthl.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 10-12.
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