LXXXVIII. Die betrogene Holländerin.

[171] Wie der zwölffjährige Stillstand zwischen dem König in Spanien und den Vereinigten Niederlanden gemacht ward / daß einer zum andern frey und sicher reisen möchte / fuhr ein Schiffer von Enckhusen zum offtern nacher Antwerpen brachte Waaren hin und holte was nützlich war wieder. Dieser wohnte bey einem Schmiede / (welcher gar neulich ein junges Mädgen gefreyet / mit Nahmen genant Aigen) zur Heuer / und wann bey Winters-Zeiten das Wasser mit Eyß bedecket / und die Kälte sonsten sehr groß war /gieng der Schiffer (Ferru genant) zu seinem Haußwirth dem Schmidt / stellete sich für seine Eese / da er schmiedet / und genoß die Hitze / da fragte der Schmidt / was er diesen verwichenen Sommer verdienet / und wie es auff der Reyse gangen / auch in Antwerpen den[171] Sommer zugestanden? der Schiffer Ferru erzehlte den Verlauff / welcher offtmahls was lustiges mit sich brachte / von Herrligkeit der Stadt Antwerpen / und auch / was da sonsten geschehen / insonderheit aber von den Spaniern / wie so grosse Herren darin währen und das schöne Frauen-Volck sonderlich liebeten. Des Schmieden seine Jungefrau hörte dieses so gerne / daß sie mächtige Lust darzu kriegte /dieses allda zu sehen / baht derhalben Tag und Nacht ihren Mann / er möchte sie doch einmahl mit Ferru nacher Antwerpen fahren lassen / der gute Schmiedt hätte kein Ruh / biß er das Jawort von sich gab / das junge Weib säumte sich nicht lang / machte viel schöne Sachen zusammen und bildet ihr ein / sie hette alda Verwandten wohnen / denen wolte sie dieses mitbringen / putzte sich mit silbern Busen-Ketten / die dreymahl umb den Leib giengen fein zierlich auff / gieng zu Ferru dem Schiffer / und baht / wenn er wieder fahren wolte / solte er bey Zeiten sprechen: die Zeit kam herbey / Ferru wolte fahren / da war lauter Freude bey Aichen / sie nahm hundert Gülden zu sich / und gab ihren Mann Adjeu / welcher ihr zwar schmertzlich nachsahe / aber doch des vielen Bittens halben ihr den Willen lassen muste / daß sie mit fuhr. Aichen siegelte dahin / und wie sie für Antwerpen kamen / stieg der Schiffer aus / umb seine Fracht-Brieffe zubestellen /und besuchte allda die Börse / das gute Weibchen stundt auff dem Schiff / und wartet auff ihrem Ferru /aber es währet ihr zu lange / biß er wiederkam / nahm derhalben ihre beste Sachen heraus und zog sich an /besahe sich von unten biß oben / ob sie den Jan von Spanien schön genug war / ihre hundert Gülden steckte sie bey sich / und prangete dahin / als ein junger Pfau / kam in Antwerpen / und sahe den grünen Wald / der gefiel ihr so wohl /[172] daß sie denn zuerst besehen wolte / spatzierte da hinauff / und setzte sich unter einen schönen Baum / sah die Stadt an mit sonderlicher Beliebung / unterdessen kam ein Signor Jan von Spanien daher getreten / und hatte einen langen Bratspieß an der Seiten / einen Punjart oder Dolch auf der andern / gieng als ein Eysenfresser auff das Weibchen zu / sprach sie auff Niederländisch an / mit diesen Worten: Goyen Dach Nichtje: dieses junge Weib sahe den Signor mit fliegenden Ermeln und Seiden Strümffen / weil sie ihr lebtag die Tracht nicht gesehen / mit grosser Verwunderung an / bildet ihr auch ein / daß er ein besserer Allmodist mit Seidenen Hosen als der Schmidt mit seinen Schurtzfäll für dem feurigen Offen wäre / und weil er sagte: Nichtje goyen Dach / machte sie die Rechnung / es wäre einer von ihren gemeinten Verwandten / sagt wieder: Ich dancke u Cousin. Well wo ist u Nahm / der Spanier sagte Jan. Den Zunahmen Spaniart vergaß er mit Fleiße / Aige sagt: Ich habe einen Bruder / der heist Jan / ich weiß nicht / ob ihr das seyd oder nicht / well ja / sagte Jan (aber schlechter Bruder) fuhr hiemit weiter fort / und nöthigte Aige mit in seinem Quartier in die Lepel oder Löffel-Strasse in einem Ertz-Hurhauß / das war zimblich auffgeputzt / Jan sagte Nichtje / diß ist mein Hauß / und das seynd meine Verwandten / wieß hiemit auff die Huren / welche wann es höfflich geredt wird / an den Orten nur Täubchen genandt werden: dieses gefiel Aigen so wol / daß sie die andern alle Schwestern nante / deren gar viel waren / und auch zuletzt durch Jan von Spanien nicht allein Schwestern genant / aber seine Mitt-Weiber möchten gewesen seyn. Die losen Schwestern sahen Aichens feine Kleider an / verliebten sich darin mehr / als an ihrer genanten[173] Schwester. Jan gedachte an die hundert Gülden / befahl den Spanischen Wein zubringen / aber mit Aichens Schaden / die genoß ihn lustig / gedachte sie wäre bey ihrem besten Freunde / aber umbgekehrt. Jan fragte ob sie mit gutem Winde überkommen wär /sie sagte ja / da wurde sie noch frölicher. Jan gedachte gewonnen Spiel / ließ Zucker in den Spanischen Wein geben. Aichen ward frölicher / aber mit ihrem Schaden / tranck so viel / daß sie darüber einschlieff / da brachte sie ihr vermeinter Ohm in eine Kammer / verfügte sich zu ihr in das Bette / nahm hernacher die hundert Gulden zum Tranckgeld / nebenst ihrem Silbern Bussen / gieng hiermit davon / da funden sich die Tauben herbey / kleideten sie aus / und zogen ihr ein altes geflicktes Bootsmans Kleid an / das doch nichts werth war / und setzen ihr an statt ihrer Seidenen und Knippelshüllen / ein blaue Jungens Mütze auff / kriegten einen Tragbahr / huben sie darauff /und trugen sie ein paar Gassen durch / und legten sie für eines Mannes Thür unter ein Schuer / da schlieff die gute Aiche fein sanffte biß des Morgens die Mägde die Thür aufmachten / lag Aige dar / sie meinten es wäre ein Bootsmans-Jung / schüttelten ihr lustig / aber Aiche gab kein Gelaut mehr von sich / als well / well Jan Cousin / well / well / und lag immer still / indessen war Ferru voller Angst umb seine Haußwirthin / suchte sie Gassen bey Gassen durch /biß entlich der Mann auff stund / wo Aiche für der Thür lag / und befahl das volle Schwein weg zubringen / da erwachte sie / besann sich / rieff immer über Jan / Jan / sie sah ihr Kleid an / das war umbgekehrt /ihre hundert Gülden nebenst dem Silberzeug war dahin / Aiche wrang die Hände / rieff: Ach / ach mein Ohm Jan / seyd ihr gestorben / ich weiß nicht wo ich bin /[174] ach Jan / ach Jan / wo seyd ihr hinkommen / ich seh euch ja nicht mehr / in dessen kamen die Leute so häuffig umb sie / als wann ein neuer Quacksalber mit dem Pickelhering vorhanden / Aige rieff und schrie immer mehr und mehr über Jan / aber well Jan blieb aus / und kam an statt seiner der gute Schiffer Ferru wieder / gieng die Gassen durch und durch / suchte seine Aige fast mit Thränen / und wie sie seiner gewahr wurde / rieff sie immer / ach mein Ferru! ach mein Ferru! well bin gey dar? aber Ferru gieng vorbey / kante sie nicht / suchte nur seine Aige / dieser rief immer: ich bin Aige / mein lieber Ferru ich bin Aige des Schmidts Frau von Enckhäusen / kompt und helffet mir / ich weiß nicht wo ich bin / Ferru sagte: seyd ihr Aige / ihr seyd ein versoffener Schlüngel toll und voll / ich suche eine Frau du Narr / hiermit nam die Aige ihr Bootsmans Hülchen ab / und zeigte ihm ihre Flechten / da sah der gute Ferru / wie das Schaff geschoren war / besan sich / und fing fast an zu weinen /wie nun dem guten Ferru und dem jungen Weibchen zu Muhte gewesen / auch wie sie von dem Schmiede bewillkommet / laß ich den Leser urtheilen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 171-175.
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