XCII. Die Schelmische List.

[179] Vor kurzer Zeit hat sichs zu getragen / daß eine Persohn von Sutphen nach Amsterdam zu einem Buchhändler gangen / seine Rechnung zu bezahlen / da er aus seinem Räntzel ein Schnuptuch voll Golde herfür langete / wovon er dem Buchführer das Seinige zahlete / und das übrige wieder in seinen Sack steckte. Der Buchhändler danckte ihm vor gute Bezahlung / und nante ihn bey seinem Nahmen / und muste sich ohngefehr zugetragen haben / daß ein Spitzbube herumb spatzierer seye / der ihn bey seinen Nahmen nennen /und daß er die Rechnung[179] bezahlet / gehöret hatte. Wie dieser Sutphener nun auß dem Hause des Buchhändlers und an die Neue Brücke kommen / begegnet ihme eine Persohn die ihn wilkommen hieß / und gab ihm die Hand / nennete ihn bey seinen Nahmen: Der Sutphener aber sagte / ich kenne euch nicht; der ander aber sprach / ey kennet ihr mich nicht / kennet ihr denn diesen Mann nicht / und nennete einen Mann /der diesem Sutphener bekannt war / eine Persohn / die gleich in seiner Nachbarschafft wohnete / (welches nur auß Muhtmassung geschahe) der ein Wein verkauffer ist? Ja sagte der Sutphener den Mann kenne ich wol. Mich wundert sehr / daß er mir keine Antwort schreibet / da ich ihm doch schon drey Brieffe geschrieben habe; Nun ersuchte ich euch / mir / so es euch beliebet / die Freundschafft zuthun / und einen Brieff meinentwegen mit zunehmen / und ihm einzuhändigen / ihr werdet mir daran eine grosse Freundschafft erweisen. Wol / sagte der Sutphener / daß ist eine geringe Mühe / das wil ich gern thun. Darauff sagte der ander / ich bitte euch / so es euch beliebt /mit mir hiernahe beyzugehen / ich wil geschwinde ein Briefflein verfertigen / daß wil ich wol thun / sagte der Unschuldige / und ging mit diesem Spitzbuben in die Neue-Strasse in eine Herberge: Wie er dahin kam / forderte er Feder und Dinte / als wolte er schreiben; Unterdessen kombt ein Monsr. hinein / und wünschet ihnen einen guten Tag / und sagte / meine Herren /mache ich euch auch einige Molestic / daß ich hier herein komme: Nein sagte der ander (denn es war einer von seiner Rotte) wir haben nichts sonderliches zuverrichten / ich wil nur ein Brieffgen schreiben /das dieser Persohn mit nach Sutphen nehmen soll. Hierauff begunte die Person / die zuletzt hinein kommen war / zu erzehlen / wie[180] so gar teuffelisch er zu Platz kommen wehre / an einem Orthe / da er alle sein Geld verlohren hätte / und kunte nicht ersinnen / wie er darzu kommen wehre; wie ist das zugangen? sagte der ander; wenn ich eine Karte hätte / antwortete dieser / ich solte es auch können weisen / denn solch Spielen kan ich nicht verstehen. Darauf ward eine Karte gefodert / die auch alsbald gebracht wurde / da sagte der zu letzt hinein kommen war / zu seinen Mitgesellen / last uns umb einen Schilling spielen / denn ich darff es nicht hoch anfangen / weil ich ein so unglückseeliger Tropffe bin. Wol sagte der ander / es sey umb einen Schilling / und langete einen Ducaton aus seinen Schiebsack / und bahe den Sutphener ihm zu wechseln / da kombt der andere plötzlich / und schlägt ihn unversehens ins Gesicht / daß er hinten über die Banck fiel / da stunden die zween Spitzbuben auf / nahmen das Schnupfftuch sambt dem Gelde / das der Sutphener herfür gezogen hatte / und lieffen darvon. Als dieser Unschuldige wieder aufkommen war / und sahe / daß viele Spitzbuben weggelauffen waren / und sein Geld mitgenommen hatten / erschrack er sehr / und lieff was er lauffen kunte / nach dem Hause / da er die Rechnung bezahlet hatte / klagte allda sein Unglück / und baht / daß der Freund mit ihm nach der Herberge gehen möchte / wie denn auch geschahe / und nam noch einen Freund zu sich. Wie sie dahin kahmen / giengen sie hinein / die zwey Leute zusuchen / funden auch ein Gemach voller Leute / aber der unschuldige Sutphener kente diejenigen nicht / die ihn geschlagen und das Geld genommen hatten / und sagte / daß sie nun länger Haar hätten / als ihm dauchte / daß sie zuvor gehabt hatten /da sie mit ihm daselbst waren. Die zween Freunde sagten / daß er es wol müsse wissen / ehe man[181] jemand anredete. Das Volck so in dem Gemach war / als es sahe / daß einiges Suchen nach jemand war / (wie denn die Spitzbuben vielleicht auch wol darbey sassen) begunten sie lustig anzufahren / und sagten: Was / zum Teuffel / sucht ihr hier? Meint ihr / daß hier Schelmen und Diebe sein / daß ihr einigen Argwon sasset / packet euch von dannen / oder der Teuffel sol euch den Halß brechen; Ihr Hunde packet euch stracks weg / oder wir wollen euch schlagen / das euch der Teuffel hole; Ihr Schelmen / sol man in einer ehrlichen Gesellschafte Schelmen und Diebe suchen? Dieses gab dem unschuldigen Sutphener und seinen zween mitgenommenen Beyständen ein solch Schrecken / daß sie stillschweigend weggingen; Und der unschuldige Sutphener muste sonder Geld sich weg machen / aber hätte noch leicht eine gute Tracht Schäge darzu bekommen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 179-182.
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