XCIV. Der Syracusische Betrieger.

[185] Berlinger / ein Syracusaner / von geringem Stande und grossem Verstande (wann anderst die Klugheit also zunennen) hat erst im zehenden Jahr seines Alters zu reden angefangen / gleichsam / ob hätte er so lange gedichtet / so lange die Elephanten trächtig gehen / Fürsten und Herrn zu betriegen / allermassen in den Kinderspielen von Jugend auf er seinen Anfang dazu gemacht / und seiner Schalckheit meisterliche Proben geleistet.

In der Jugend wurde er zur Schulen gehalten / daß er etlichermassen des Lateins mächtig worden / welches gleich dem Zucker ist / und keine Speisen verderbet / ich wil sagen zu allen Ständen dienlich ist. Nachdem nun sein Vater dieses Zeitliche gesegnet (dann seine Mutter Todesverblichen / als sie ihn auff diese Welt gebohren) begab sich dieser Berlinger zu einem Goldmacher / die Kunst zu erlernen / welche die verborgene Schätze / so der Geitz und die Natur vergraben / ausscharret. Mit diesem Meister schiffete[185] er in Africa / lässet sich zu Zeiten für einen Meer-Räuber gebrauchen / und erbeutete so viel / daß er sich entschleust einander Leben auzufangē / damit er nicht sein Leben / und zugleich das in einer bösen Viertelstunde verlierē möchte / was er durch etlicher Jahre Gefährligkeiten erworben hatte. Sein Angesicht war von der Sonnen verbrennet / seine Augen schwartz und lieblich anzusehen / seine Haare lang /krauß und pech-schwartz / und hatte auff seiner Reise die Africanische Sprache gelernet / daß er sich in seinem Vaterlande für einen Frembden angeben dürffen. Nachdem er nun seine fahrende Haab / ich verstehe sein Schiff / versilbert und zu Golde gemacht / sich mit einem langen schwartzen Rock bekleidet / stieg er zu Malta / allda er war angefahren / nachdem er ein Türckisches Schiff / dessen Hauptman / sich zum Christlichen Glauben bekehret / und in der heil. Tauffe Odoart benennet worden / in eine Neapolitanische Gallee und setzete glücklich über.

Unterwegs kombt er in Erfahrung / daß allda viel vornehme und reiche Leute / unter welchen auch ein Herr von Caraffa / dem Chimischen Rauchwerck oblieget: bemühete sich deßwegen einen Diener zu haben / der von solchem Handel einigen Bericht hatte / und fand eben einen / der zuvor bey dem Herrn Caraffa gedienet / den er zu sich genommen.

Berlinger nennete Odoart von Africa / und wiese seinen Tauffzettel auff / welchen er den vorbesagten Türcken entwendet / zubeglauben / daß er sich zu dem Christen Glauben bekehret.

Diesem Diener / Chiano genandt / vertrauete Berlinger / nachdem er zuvor die Verschwiegenheit endlich versichert / wie er und sein Priesterliches Geschlechte ein Geheimniß[186] wüsten / auß ellen Metallen Gold zu machen / heisset ihm deßwegen einen Distillter-Ofen / Kolben / Tiegel / Kohlen und andere Gerähtschafft einkauffen / weil er Gold vonnöhten hätte. Wie solches geschehen setzte er Quecksilber ein / und bestreuete es mit einem weissen Pulver / dadurch es dicht Gold wurde / wie der Diener vermeinte / und solches wurde ihm zu verwechseln anvertrauet. Der Diener bringet das Geld für das Gold / und eröffnete so bald seinem ersten Herrn / wie er den Meister aller Meister gefunden / und erzehlet / was er mit Augen gesehen / und mit Händen betastet. Caraffa eylet / diesen Africaner zu umbfangen / und erkaufft mit vielen höfflichen Worten und kostbahren Geschencken etliche Gerstenkörnlein schwer von besagtem Gold Pulver. Wer war in seinem Sinn glückseeliger als Caraffa? So gar / daß er seinen Freunden / nicht verbergen mögen / und ihnen die Probe dieser Goldmacher-Kunst gewiesen / darüber sie erstumet / und verlangt /solches auch zulernen. Diese haben ihn nun gastiret /mit Kleinodien / Kunststücken und allerhand Seltzamkeiten beschencket / dagegen aber wenig von dem Pulver / auf viel Millionen aber Hoffnung erkauffet.

Es war dieses Pulver gefeiletes Gold / welches mit edner weißlichten Farbe bedeckt gewesen / wann nun das Quecksilber verrauchet / so ist das Pulver zerschmoltzen / und das Gold flüßig worden. Diese Pulver nun wuste er jedem in geheim beyzubringen / und zu berichten / daß GOtt alles mit seinem außwachsenden Samen erschaffen / daß alle Metalle / Gold oder Silber / wegen mangel der Sonnen-Hitze / mehr oder minder reiff / und daß solchen Mangel[187] das Kunstfeuer ersetzen / und sein Pulver die Metallen fruchtbahr machen und zeitigen könne.

Nachdem er nun seine Geschencke durch die dritte Hand / mit vorwand / daß er solche wieder verschenckte / zu Gelde gemacht / und bey 5000 Ducaten / durch Wechsel nach Rom gehen lassen / gibt er vor /daß er ein Gelübde gethan / bey seiner Bekehrung baarfuß nach Rom zu Wal fahrten / seine Andacht allda abzulegen. Von Rom übermacht er seine Gelder nach Venedig / und folget bald hernach / von dar wanderte er in Savoyen / veränderte mit den Kleidern den Nahmen und den Bahrt / und nennete sich einen Ritter von Syracusa. Weil ihm aber sien Gewissen sagte / daß er in gantz Italien nicht sicher sein könte /nimbt er seinen Weg in Flandern / und verspricht dem Hertzogen in Parma / damahligen Staathalter / 1000 Italiäner auf seine Unkosten zu werben / wann ihm vor einen jeden Mann eine bedingte Summa Geldes bezahlet würde. Solchem Versprechen giebet der Hertzog Glauben / begnadet ihn mit einem schönen Rappier und einer güldenen Ketten / und verfertigte ihn mit gewöhnlichen Werb-Patenten wieder ab.

Indem er sich nun zu Florentz aufhält / fügte sichs /daß Caraffa (welches sein Vermögen und Hofnung inzwischen verrauchet ist) mit seinem Diener Chiomo sich auch allda befunden / und Krieges-Dienste anzunehmen gewillet / sich bey diesem Werber angegeben. So bald Berlinger diese zween ersiehet / erschrickt er /wendet sich umb / und befielet seiner Befehlhaber einem / sie auff eine andere Zeit wieder zu bescheiden / ist aber bedacht / sich aus dem Staub zu machen.[188]

Caraffa hätte diesen Betrieger nicht erkant / wann er nicht einen Traum von ihm gehabt / der ihm den vermeinten Africanischen Odoart in Soldaten-Kleidern eigentlich vorgestellet.

So bald nun der Tag angebrochen / und Berlinger in der Kirchen Meß hörete / betrachtet ihn Caraffa unvermerckt / und wird aus allen Umbständen in seinem Wahn bestätiget / wie auch sein Diener Chlomo: Eröffnet deswegen dem Groß-Herzogen / was mit diesem Land-Betriger vorgegangen. Der Groß-Hertzog lässet Berlinger in verhafft / und von dar auf die Galeen bringen / gibt aber dem Caraffa nichts von seinem Vermögen / sondern rameinet / das solches des Hertzogen von Parma Mittel / und muste er sich mit diesem Bescheid abfertigen lassen / er hätte sein Geld auf seinem redlichen Spiel verlohren.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 185-189.
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