Wie der künig Fortunato drey edel iunckfrauwen fürstellet, die vast schön vnd schwestern waren, auß denen er die iüngst (genannt Cassandra) zu weib nam.

[66] Also sagt der künig: lassen mir kommen die drey iunckfrawen Gemianam, Marsepiam vnd Cassandram! sy stůnden bald auff vnd giengen durch den sal vnnd ee das sy zu dem künig kamen, thätten sy dem künig dreymal reuerentz vnd knyeten für den künig nider, als sy das wol kunden vnnd ynen auch wol anstůnde. Der künig hyeß sy auffsteen, das sy auch theten, fieng an vnd sprach zu der eltesten junkfrawen Gemiana: Sag mir, bistu lieber bey der künigin oder wärest du lieber bey graff Nimian, deinem vatter, vnd der gräffin, deiner můtter? sy antwurt dem künig vnd sprach: gnädiger herr künig, mir zympt zu der frag kain antwurt zugeben, vnd ob ich schon ains kiesen wolt für das ander, so sol ich meinen willen nit brauchen, sonder was ewer künigkliche gnad vnd mein herr vatter gebietten, den selben gebotten sol ich gehorsam sein. Allso sprach er zu der anderen: Marsepia, sag mir ain warhait! weder ist dir am maisten lieb, der graff, dein herr vnd vater, oder die gräffin, dein fraw můtter? sy antwurt vnd sprach: O gnädiger herr künig, tzu diser frag zymmet mir kain antwurt zugeben, ich hab sy bayden von gantzem hertzen lieb. ob ich ains aber lieber hett dann das annder, so wär mir doch layd, das es mein aigen hertz wissen soltt. sonder, solt das mein munde verkünden, des wolt ich mich gar ser schamen, wann ich alle trew an jn baiden finden vnd mercken kan. Der künig sprach zu der dritten vnd der iüngsten: Cassandra, sag mir: wenn yetz ain schöner tantz wäre auff vnser pfaltz von fürsten vnd herren vnd von vil edelen frawen vnd iungfrawen vnd es wär hye der graff vnd die gräffin, ewer vatter vnd můtter, das ain spräch: tochter, gang zu dem tantz vnd das ander spräch: gang nit. wölichem gepot woltestu[67] volgen? Aller gnädigster herr künig! Jr sehen vnd wissen, das ich gar iung byn. so kommpt vernunfft vor den iaren nitt. so mag ewer künigkliche, hohe vernunft wol erkennen vnd ermessen die begird der iungen vnd hyerumb so zimmet mir zu diser wal kain antwurt zugeben, wann so ich aines für das annder erwölet, wurde ich in all weg das ain ertzürnen, das ich gar vnngeren thůn woltte. Der künig sprach: wenn aber ains sein müßt? Cassandra sprach: so begere ich iar vnd tag mich darauff zu bedencken vnd weißer leüt rat zu haben, ee daz ich antwurt zu der frag gebe. darbey lyeß der künig Cassandra beleyben vnd fraget sy nit fürbas. Als nun der künig vrlob von der künigin vnd von den andren in dem frawenzymmer nam, gienge er in seinen pallast vnd volget jm nach Fortunatus vnd Lüpoldus, vnnd als sy nun in des künigs kamer kamen, sprach der künig zu Fortunato: du hast begert, die drey töchteren tzusehen vnnd hören reden. So han ich dir mer gethon, dann du begeret hast. du hast sy gesehen ston, gon, lang vnd gnůgsam reden. Nun lůg, wöliche gefelt dir zu ainem eelichen gemahel? Fortunatus sprach: Gnädiger herr künig, sy gefallen mir all drey wol, das ich nit wayß, wölche ich kießen sol vnd beger von eüwer künigklichen gnad, mir ain klaine weil vergünnen, mich zu bedencken mit meinem altten diener Lüpoldo. Der künig sprach: dess hab frey vrlob! also giengen sy mit ainander an ain haimlich ort. Fortunatus sprach zu Lüpoldo: du hast gehörtt vnd gesehen die drey töchteren so wol als ich. nun waistu wol, das niemand so weiß ist in seinen sachen. er sol alweg radts fragen. also frag ich dich vnnd begere deines rats in der sach, das du mir hyerinn trewlichen ratten wöllest, als ob es dein aigne seel anträffe. Lüpoldus erschrack gar ser, do er so hoch ermanet ward vnd sprach: herr, in der sach ist mir nit wol zuratten, wann ainem gefelt oft ain ding vast woll vnd seinem aignen brůder gantz nichts. So ysset ainer geren flaisch, der ander visch. hyerumb so kan üch in der sach nyemant radten, dann ir eüch selb, wann ir seind auch, der die burdin tragen muß. Fortunatus sprach: das alles wayß ich wol vnd das ich mir ainen gemahel nym vnd sunst niemand. ich wolt aber,[68] das du mir die haymlichhait deines hertzens entschlussest, wann du doch so vil menschen erkent hast vnd nach irer vision oder gestalten hastu wol gemerkt, was trew oder vntrew in ir gestalt geben hat. Lüpoldus riet vngern tzu den sachen, Forcht, wenn er nit an die riet, die ym geuiel, das er dardurch möcht sein huld verlüren vnd fieng an vnnd sprach: herr, sy gefallen mir all drey fast wol. ich hon sy auch mit allem vleiß aine nach der andern wol durch sehen vnnd nach irer vision so bedunckt mich, sy seyen schwesteren oder geschwistergit kinder. Kan auch an ir gestaltten kain vntrew merken. Fortunatus sprach: an welche rattest du mir aber? Lüpoldus sprach: ich wil nit zu dem ersten ratten, so sölt ir auch nit zu ersten radten, wann was eüch wolgeuiel, war auch vnleydenlich, das mir das mißuiele vnd sprach: So nemend hin die kreyden vnd schreyben auff den tisch in eüwern winckel, so wil ich auff disen in den andern winckel schreiben. das geuiel Fortunato wol vnd schrib also yeder sein mainung, vnd do sy geschriben hetten vnd yeder des andern geschrift laß, do hetten sy baid Cassandra geschriben. Des was Fortunatus fro, das Lüpoldo geuiel, daz jm gefallen hett vnd noch frölicher was Lüpoldus, das ym got in seinen syn geben het, das er auch an die geradten, die seinem herren am aller baßsten gefallen het. vnd do sy nun der sach also ains wurden, gieng Fortunatus wider zu dem künig vnd sprach: gnädiger herr künig! Als mir eüwer küngkliche gnad ain wal auffgethon hat, die ich pillich zu grossem danck vnd vnuergeßner dienstbarkait gen ewern gnaden verdienen sol, wann ich mich söllicher wal vnwirdig bedunck vnd hab es vmb eüer küngliche maiestat nye verdient. doch so stat es mir, das ich es noch verdien vnd ist mein beger, das ir mir gebent Cassandra. Dir beschech nach deinem begern, sprach der künig vnd sandt zu der künigin, das sy zu jm käm vnd Cassandra mit ir bracht, das och also beschach. also kam die künigin, bracht Cassandra mit ir, sendet nach seym caplan vnd ließ sy zusamen geben, des Cassandra vnmůtig was, das sy also solt vermähelt werden irem vater vnd můter vnwissent vnd sy nit solten darbey sein. doch der künig wolt das allso haben. wurden also[69] zusamen vermähelt. vnd als sy nun zusamen geben waren, kamen die anderen frawen vnd iunckfrawen vnd der brautt schwesteren vnd wünscheten der braut gelück. die zwů schwesteren waineten gar seer. Fortunatus fraget, warumb sy also waineten. do ward ym gesagt, das sy der prautt rechte schwesteren waren von vater vnd von můtter. Vnd allso gieng er zů yn, trost sy vnd sprach zu yn: traurend nit, ir solt alles eüwers vnmůts ergötzt werden vnd sendet bald gen Famagusta nach den klainaten, so er mit jm von Venedig gebracht het vnd schanckt dem künig vnnd der künigin die zway bestenn, darnach der braut vnd iren schwesteren vnd begabet all frawen vnnd iunckfrauwen, so in der künigin frauwen tzymmer waren, gar kostlichen, das sy auch zu grossem danck auff namen. Vnd allso sant der künig nach graff Nimian vnnd nach der gräffin. Do das hort Fortunatus, do rüstet er tzu Lüpoldum vnd gab ym bar tausent Ducaten, das er die soldt der gräffin in ir schoßs schütten vnnd ir sagen: Ir tochterman der schannckt ir die, das sy frölich auff die hochtzeit käm. Nun was die gräffin vnmůtig, das Fortunatus die iüngsten tochter genomen het, wann sy ir die liebste was. do ir aber Lüpoldus die tausent ducaten in iren geren schutt, do ließ sy den vnmůt faren vnd ruft sich mit sampt dem graffen von stund an eerlich tzu mitt wolgeklaitem hoffgesynn, mit wägen vnnd was tzu den eeren gehört vnd kamen zu dem künig. do wurden sy eerlich entpfangen vnd was yn in der herberg gar Costlich zugericht mit zierden, auch mit aller kost vnd tranck, was man bedorfft, das graff Nimian zu der gräffin sprach: frauw, wir seyen mer hye gewesen, vns ist soliche er nye erbotten worden. haben wir so ainen gnädigen künig überkommen oder so ainen mächtigen tochterman durch vnser tochter Cassandra, söllen wir got loben, eer vnnd danck sagen, das er vns sollich gnad verlihen hat. vnd als sy kommen waren, sprach der künig zu Fortunato: Ich wil lassen zuristen die hochtzeit vnnd wil, das die hochtzeit hie volbracht werd. Fortunatus sprach: gnädiger künig, lassent mich die hochtzeit zu Famagusta haben in meinem neüen hauß, das noch nye eingeweicht, noch kayn freüd darinn volbracht ist. Der[70] künig sprach: ich wolt es darumb thůn, das graff Nimian vnnd dir desterminder kosten darüber gangen wär. Fortunatus sprach: mich sol kain kosten tauren noch reüwen vnd bit eüer künglich maiestat, das ir selb personlich mit sampt der künigin vnd allen ewerem volck gen Famagusta kommen wöllen. kan ich denn ewern gnaden vnd denen, so mit üch kommen, nit eer erbieten, als ir wirdig wären, so solt ir doch kainer ding mangel haben, als lützel als eüwer gnad hye hatt.

Quelle:
[Anonym]: Fortunatus. Halle a.d.S. 1914, S. 66-71.
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