Chorgebet

[68] 1809.


Herrscher der Dinge,

Selige Götter,

Deutet der Menschen

Klügeln euch je?

Feuriger Schwinge

Fähret das Wetter

Schmetternd zur Erde,

Stiftend das Weh.


Und von dem Tage

Fliehet der Schimmer,

Und von den Nächten

Fliehet der Schlaf:

Denn von dem Schlage

Hebet sich nimmer,

Wen es mit Blitzen

Schrecklicher traf.


Bringet ihr wieder

Freundliche Sonnen,

Wandelt das Glück auch

Lustig darein,[68]

Locken uns Lieder,

Reizen uns Wonnen,

Blühet das Leben

Lieblich im Schein,


Und von den Blitzen

Und von dem Wehe

Rollender Wolken

Klingt es nicht mehr;

Leuchtenden Sitzen

Himmlischer Höhe

Gleicht sich in Wonne

Irdisches Heer.


Selige Götter,

Richtet mit Gnade,

Richtet der Menschen

Flüchtig Geschlecht –

Geht ihr im Wetter

Donnernde Pfade,

Träufelt ihr Segen,

Eu'r ist das Recht.


Denn was im Staube

Wechselt und wandelt,

Fliehet wie Sand im

Winde dahin,

Und gleich dem Laube,

Welches verwehet,

Wechselt der Menschen

Schicksal und Sinn.


Darum bescheiden

Sollen sie treten

Unter des Himmels

Leuchtendem Saal,

Blühend in Freuden

Sollen sie beten,

Daß sie nicht treffe

Fressender Stahl.


's wechselt die Welle

Unten nach oben,

Spielet den Schwimmer

Auf und hinab:[69]

Heut ist sie helle,

Heut ist er oben,

Morgen sie reißt ihn

Brausend ins Grab.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 68-70.
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