Empor

[191] 1818.


Auf! Auf, mein Geist, und schwinge dich

Empor vom Erdenstaube!

Flieg, fliege, fliege wonniglich,

Du schnelle Himmelstaube!

Empor vom dunklen Erdental!

Empor zum lichten Sternensaal!

Empor zum Christ, dem Heiland!


Empor! Empor aus finstrer Nacht!

Aus Staub und Schmach und Banden,

Aus Sklaverei und Bann und Acht

Zu jenen freien Landen,

Wo Lug und Trug und Wahn verweht,

Wo nie die Sonne untergeht,

Worin die Frommen blühen.


Hienieden ist nur Müh' und Not,

Nur eitel Eitelkeiten;

Der arme Mensch muß bis zum Tod

Mit Trug und Schatten streiten:

Dem bald man mit drei Ellen mißt

Den Raum, wo's still vom Kriegen ist,

Wie viel' sind seiner Plagen!
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Hienieden was ist Lust und Glück?

Was ist des Menschen Freude?

Ein Hui, ein Nu, ein Augenblick,

Des Wechsels leichte Beute,

Ein Wasser, das von Bergen rinnt,

Ein Schnee, ein Nebel, Schaum und Wind:

Auf Erden mag nichts bleiben.


Drum auf, mein Geist, und schwinge dich

Die hellen Sternenstraßen!

Was irdisch ist, wirf hinter dich!

Du mußt es doch verlassen.

Das Unten muß für andre sein,

Das Droben bleibet ewig dein –

Zur Heimat wolln wir fliegen.


Drum auf! Mein Geist! Mein froher Geist!

Zur Heimat wolln wir fliegen;

Die Erde und was irdisch heißt,

Das lassen wir unten liegen.

O du, der unser Helfer ist,

Das hilf du uns, Herr Jesu Christ,

Daß wir's mit dir gewinnen!

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 191-192.
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