26.

[315] Sei tapfer! Sei ein Mensch! Du trägst das Zeichen

Von Gott dir hell geprägt auf hoher Stirne –

Ja, eben daß ich Mensch bin, jagt die bleichen

Gedanken oft mir auf in dem Gehirne.


Heut wirbl' ich gleich der Lerche sonnentrunken

Mit Himmelsliedern fröhlich auf zur Höhe,

Und morgen lieg' ich tief hinabgesunken

Und ächz' aus dumpfem Staub mein Menschenwehe.


O schlimmste Zweiheit, ältste Menschenklage!

Laß nun auch ältster Weisheit Spruch dir singen:

Vertrau' dem Gott in dir, den Menschen wage

Und nimm und trage, was die Stunden bringen.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 315.
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