Frühlingslied

[22] 1802.


Wann das Veilchen blüht und der Kuckuck singt

Und die Nachtigall flötet im Busch,

Wann die Jugend munter zum Reigen springt

Und es rauscht durch die Blätter husch! husch!

Dann führet zum Baume, zum Quell

Die Gesellin der frohe Gesell,

Dann paart sich die Liebe im Busch.


Sei willkommen, Frühling, du süßer Gast!

Sei willkommen, du fröhlicher Mai!

Der die Freude bringt und die Sorge haßt.

Noch sind Leben und Jubel uns frei.

Auf! liebliches Mädchen, zum Tanz!

Weil dir blühet der liebliche Kranz

Der Jugend, ein fröhlicher Mai.


Wann der Winter schneit und das Alter friert,

Dann du wünschest und weinest umsonst;

Wer die Blume pflückt, die den Frühling ziert,

Der verstehet die glücklichste Kunst.

Süß Liebchen, wir kommen zur Stell' –

Wie dir glänzen die Äugelein hell!

Frau Luna, ihr Sternlein mit Gunst.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 22.
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