Rückblick

[208] 1825.


Und haben wir das all durchlebt,

Durchwunden und durchrungen,

So dicht verworren und verwebt,

Mit Knoten viel durchschlungen

Und Dorngeflechten, scharf und spitz?

Sind wir durch Kunst und Mutterwitz

Durch oder drüber gesprungen?


O nein! Fest steht das Weltgesetz

Der alten ewigen Dinge:

Wir sind mit Hand und Fuß im Netz,

Mit Schnabel und mit Schwinge,

Und wolln wir brechen aus der Pein,

Wir zerren fester nur uns ein

Und rollen im engeren Ringe.


Wild wälzt das Schicksalsrad im Saus

Die blutbespritzten Speichen,

Daß starke Männer drob vor Graus

Im tiefsten Mut erbleichen;

Und sperrn sie auch sich kühn und stolz,

Sie stürzen hin wie morsches Holz,

Wann Sturmwind schüttelt die Eichen.
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Und doch über all den Saus und Braus

Und all die grausen Sätze

Schwingt oft das Herz sich hoch hinaus

Und glaubt an keine Netze,

Es wieh'rt, ein edles Schlachtenroß,

Hinauf zum goldnen Freiheitsschloß,

Wie hartes Gebiß auch verletze.


So sang der alte Lebensfürst,

Und wie ein Held, so stand er;

Er hatt' die volle Jagd durchbürscht,

Und fragt ihr ihn: Was fand er?

Er sprach: Wie blinde Hessen drauf!

Dies Rätsel löset keiner auf,

Haut's durch wie Alexander!

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 208-209.
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