18.

[57] Gottes süße Liebe,

Gottes freundlich frommes Herz,

Ziehe meine Triebe

Alle himmelwärts.
[57]

Unten sind nur Tränen,

Unten ist nur eitel Lug,

Ungestilltes Sehnen,

Täuschung nur und Trug.


Unten ist nur Mühe,

Kampf nur, wann's am besten ist,

Hader spat und frühe,

Daß man dein vergißt.


Alle, gleich den Blinden,

Tappen wir in Biesternis,

Können dich nicht finden

In der Finsternis.


O du reiche Quelle,

O du Brunnen jeder Lust!

Mache mir es helle,

Hell in Aug' und Brust!


Ziehe, süße Liebe,

Aus dem Dunkel mich zum Licht,

Alle meine Triebe,

All mein Angesicht.


Gottes Liebe, ziehe,

Zieh in dich mich ganz hinein!

Daß ich hier schon blühe

Wie ein Himmelsschein.


Gottes Liebe, Spiegel

Aller Freude, alles Lichts,

Gib mir Sonnenflügel,

Zu entfliehn dem Nichts:


Daß ich gleich der Lerche

Flieg' empor ins Sternenhaus

Über Tal und Berge

Und die Welt hinaus.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 57-58.
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