Ruf an den Geist

[202] 1818.


Dich, Geist der Wahrheit, Geist der Kraft,

Dich, Geist der Christusritterschaft,

Der alle Blöden trösten kann,

Dich starken Tröster ruf' ich an.


Dich Licht der Höhe, milden Stern,

Dich freundlich frommen Geist vom Herrn,

Der alles Dunkel lichten kann,

Dich Licht der Höhe ruf' ich an.


Tief sitz' ich in der dunkeln Nacht,

Wo mich die Sünd' hineingebracht,

Tief sitz' ich in der Finsternis,

Wohin Verzweiflung mich verstieß.


Mein Jammer brauset wie ein Meer

Mit allen Stürmen um mich her,

Er saust und brauset immerzu

Und läßt mir Tag und Nacht nicht Ruh'.


Drum komm, mein Hort, und rette mich,

Mein Tröster komm und tröste mich,

Mein Licht geh auf mit deinem Schein

Und funkle durch die Nacht herein.


Komm, Helfer in dem Sündengraus,

Und sprich mir zu und leg' mir's aus,

Was ich nicht mehr begreifen mag,

Was Christus zu den Sündern sprach.


Sprich mir das Wort der Liebe zu,

Den rechten Klang verstehst nur du,

Das rechte Wort, den rechten Klang,

Des Glaubens Hoffnung und Empfang.


O Geist der Liebe, Geist des Herrn!

Der Himmelsfreude Gnadenstern!

Geh auf in mir mit deinem Schein!

So kann ich wieder fröhlich sein.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 202-203.
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