Schlutz aller Lebensverse

[300] 1856.


Könnt' ich Löwenmähnen schütteln

Mit dem Zorn und Mut der Jugend,

Wie gewaltig wollt' ich rütteln

An des Tages blasser Tugend,[300]

An dem Trug der Feigen, Matten –

Wer will ihre Namen nennen?

Die der Väter Heldenschatten

Nur als Leichenschatten kennen.


Eisen galt in meinen Tagen.

Horch' ich solchen Stundenweisern,

Hör' ich sagen, fragen, klagen,

Eisern sei ich, übereisern,

Fern sei mir das Los gefallen

Von den edlen Glanzmetallen,

Fern, o fern von jenen allen,

Woraus feine Klänge schallen.


Weg vom Silber denn, vom Golde

Hin, wohin die Weiser weisen!

Trage, wie dein Schmied es wollte,

Trage mutig durch dein Eisen!

Preis ihm, der es hart geschmiedet!

Nimmer magst du würdig preisen,

Nimmer, was die Welt befriedet,

Was die Welt erhält, das Eisen.


O du Segenglanz des Pfluges!

Gold der Ähren, Gold der Reben!

O du Blitz des Degenzuges,

Dem die Völkerzwinger beben!

Lebenhalter, Ehrenhalter,

Bestes Ding von besten Dingen,

O ich könnte tausend Psalter

Voll von deinen Ehren klingen.


Darum Preis dem Rauhen, Harten,

Preis dem Menschenschirmer Eisen!

Mag vom Blanken, Feinen, Zarten

Sich ein andrer Seines preisen,

Kann ich nur ein Fünkchen zählen

In mir echter Männergluten,

Gönn' ich gern den weichen Seelen

Volle Weibersehnsuchtsfluten.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 300-301.
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