Sechzehnter Auftritt.

[64] CARDENIO. Nicht lange mehr ertrag ich dies Gewühl in meinem Busen, in wilden Rasereien möcht ich[64] mich selbst entladen von dieser Wahrheit, diesem schrecklichen Bewußtsein, daß alles wahr.

VIREN. So sprech ich kurz, ich höre, daß du meine Schwester liebst, sag Schwester, liebst du auch Cardenio, da du ihn schuldlos weißt. – Du schweigst, das nehm ich für dein Jawort an. Auf denn, laß uns den Zwist in einem festen Bündniß unter uns vernichten.

CARDENIO. O meine Ehre, wär ich deiner nur so leicht entladen, wie diese Jungfrau der Jungfräulichkeit, könnt ich nur erst ertragen lernen, daß mich einer schlüg auf öffentlichem Markte, und daß ich blos den Buckel riebe, knurrend wegging, ja dann wär ich ein guter Ehemann.

VIREN. Ich darf dich nicht verstehen, wohl weiß ich, daß der Schwester Ruf durch diese Nacht kann leiden, doch ihre Zucht hat nicht gelitten, sprich Schwester, dir ist nichts geschehen?

OLYMPIE. Gott, ich vergeh vor Scham!

CARDENIO. O Jungfrau, darf ich an dich glauben? Es ist doch ein gefährlich Spiel um Jungfraunehre.

VIREN. Sie schweigt, das will bei zücht'gen Mädchen nicht viel sagen, gebt euch die Hände und verlobet euch, die ganze Stadt denkt dann, daß es Cardenio gewesen, der sich mit einem Scherz in diesem[65] Haus versteckt, erkennt es dann für einen der genialen Streiche, wofür Cardenio bekannt.

CARDENIO. Doch was sagt dann der eben hier verschwundene? Ein Wort, Olympie? Was that der Fremdling. Er flüchtete im Augenblick, da er Sie küßte, er hätte Ihren hohen Blick nicht tragen können, darum hat er die Lichter ausgelöscht.

OLYMPIE. Und wer giebt Ihnen dieses stolze Recht, mich wie ein Richter auszufragen, wir sind uns fremd und bleiben fremd für immer; wer gab dir Bruder dieses Recht, so meine Hand zu schenken, als wärs ein weggeworfnes Gut, aus Mitleid soll mich jetzt Cardenio nehmen, viel lieber nehm ich den, der eben war bei mir versteckt, so hassenswerth sein Frevel dir erscheint.

VIREN. Ich staune, Schwester, über dich.

OLYMPIE. Aus Erden war kein Mädchen je so tief gekränkt.

CARDENIO. Weil denn die Welt dem Teufel ganz gehört, nimm mich du Teufel hier und ewiglich nichts kost ich dir, frei geb ich mich dir zum Geschenk. Fluch aller Liebe, die mich zähmte und bezwang, Haß, Zorn, ihr macht mich reich, ihr füllet mir das Herz, so fließt denn über in die öde Welt, auf die kein göttlich Auge blickt, im Feuer soll sie untergehen. Ab.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 64-66.
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