Vierter Auftritt.

[21] CARDENIO. Nach Hause will ich sie begleiten, sie schwankte, schwankte wie die Sonn im Aufgang und meinte, daß es von der Sonne käme; ich muß ihr nach. – –


Wagner mit vielen Studenten, unter denen alle vorhergenannten, zieht nach dem Promotionssaale dem Thorwege zu.


STUDENTEN. Glück zu! Wagner, hoch, abermals hoch, dreimal hoch!

WAGNER zu Dienemann. Sehn Sie Herrn Schlinger noch nicht kommen, ich bin vom Sonnenschein geblendet, nicht länger konnte ich mehr warten.

DIENEMANN. Hier ist Cardenio, der hat es mir versichert, er komme gleich. Cardenio, ist Schlinger noch nicht hier?

CARDENIO. Verflucht, es ist, als würde ich mit kaltem Wasser übergossen, ich will ihr nach, da soll ich oben disputiren. – Geht nur hinauf, er ist schon da. Er sieht in die Ferne.

WAGNER. Wenn mir Cardenio nur keinen Streich gespielt und läßt mich ohne Opponenten oben sitzen. – Mein Herr Cardenio, Sie wissen ganz gewiß, daß mein Herr Opponent sich eingefunden.

CARDENIO. Er kommt gewiß, er ist gewiß schon da. Er sieht in die Ferne.[22]

DIENEMANN. Nun dann, so geh ich, die Musik zu holen. Ab.

WAGNER. So sein Sie für die gute Nachricht schon gegrüßt, befinden sich doch noch recht wohl, so ziemlich wohl, mein Herr Cardenio?

CARDENIO. Den Teufel mag ich mich recht wohl bestanden, ich weiß nicht, wo der Kopf mir steht.

WAGNER. Da nehmen Sie doch einige Tropfen Assa-Fötida in Äther aufgelöst, es half mir immer gegen Schwindel treulich.

CARDENIO. Bleibt mir vom Leib mit eurem Teufelsdreck. Vor sich. Jetzt ists zu spät, ich kann sie nicht erreichen, jetzt ist sie ihrem Hause schon ganz nahe, ich möchte weinen, wenns nicht kindisch wäre die Zunge mir zerbeißen, o die Gelegenheit kommt nimmer wieder, ihr alles zu erklären.

WAGNER. Mein Herr Cardenio, Sie reden viel vor sich, das ist ein böses Zeichen, hier ist ein Fläschchen Opium, nur wen'ge Tropfen geben Lebenskraft.

CARDENIO. Wünscht mir nicht zu viel Lebenskraft, denn kurz und gut, ich bin heut Opponent, hier ist der Brief von Schlinger worin er euch den Auftrag kund gethan.

WAGNER. Sie, Herr Cardenio? Sie sind zu gütig. Mir wird so schwach, ich bitte meine Herren, ach leiten Sie mich in den Thorweg, dunkel ists vor meinen Augen und meine Willenskraft[23] versagt, nun ich so nah der höchsten Ehre in der Philosophie.

STUDENTEN. Wagner hoch, abermals hoch, immerdar hoch!

CARDENIO. Tief und abermals tief und immerdar tief, dafür, daß er mir heute alle Lust verdorben.


Alle in den Thorweg ab.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 21-24.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Halle und Jerusalem
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVI. Halle und Jerusalem. Studentenspiel und Pilgerabenteuer
Halle und Jerusalem: Studentenspiel und Pilgerabentheuer (Jahresgaben Des Verlages)