Zwölfter Auftritt.

[122] Cardenio mit schwarzer Maske und Kleidung als Mohrenprinz, Pamphilio mit weißer Maske und Kleidung als Weißprinz, zwischen beiden eine Frau mit halb schwarzer halb weißer Maske und Kleidung als zweifarbige Prinzessin, der Mohrenprinz steht an ihrer weißen, der Weißprinz an ihrer schwarzen Seite, doch ist dies nur den Zuschauern sichtbar, da ein Schleier, der von ihren Händen getragen wird, ihre Zweifarbigkeit den zur Seite stehenden Anbetern verbirgt, und vorn, hinreichend geöffnet, den übrigen Anwesenden sehen läßt. Vor ihnen her tritt ein kleiner Junge, in allen Farben bunt gekleidet, als Herold.


HEROLD.

Aufgeschaut, aufgeschaut!

Hier streiten zwei um eine Braut,

Macht nur Platz, macht nur Platz!

Das wird mal geben eine Hatz.

OLYMPIE vor sich. Ich weiß nicht, wie mich ein eignes Zittern überfällt beim scharfen Auftritt jener schwarzen Maske, ich glaube einer Stimme Ton zu hören, die mir so unvergeßlich, so gefährlich ist. Gewiß es ist Cardenio, so kühnen sichern Gang hat keiner, weh mir, was wird das geben, ich darf nicht warnen, um nicht die schnellen Schreckensscenen mit den vermutheten zu tauschen.

VIREN zu Olympien. Du sonderst dich so von uns ab und alle warten doch mit ihrem Spiel auf dich, o füge dich der kleinen Feier, du bist ja gütig gegen alle Welt.

OLYMPIE. Ich wußte nicht, daß es so schnell beginne, ich bin bereit, setz dich nur nah zu mir.[123]

PAMPHILIO. Es hat noch gar nicht angefangen – ich wollt es wär vorbei!

CARDENIO. Fast vergeß ich meine Rolle, mich durchrollt ein wildes Blut, läuft so tobend unter einander in des Herzens unrechte Kammer, steiget gegen sich selber frei, Fluth gegen Fluth, als schwankt die Erde.


Maskenspiel.

PRINZESSIN.

Der am treusten von euch beiden,

Hat am meisten mir behagt,

Dem sei heut mit heilgen Eiden

Meine Hand gleich zugesagt.

WEISSPRINZ.

Nimmermehr kann ich dich lassen,

Lieber lasse ich mein Leben!

MOHRENPRINZ.

Wer wird dir dafür was geben,

Da du lang schon im Erblassen,

Kreideweiß kann man dich nennen,

Farbe hast du nicht gehalten.

WEISSPRINZ.

Sollt ich mich wie du verbrennen,

Daß man mich für brav möcht halten,

Lieber bleib ich wie die Schöne

Weiß und roth wie Milch und Blut,

Und daß mich die Liebe kröne,

Brauch ich nur der Schönheit Glut.

MOHRENPRINZ.

Wie, du wagst sie weiß zu nennen,

Die so schwarz wie Ebenholz,

Lieblich, wie die Nacht zu kennen

An den Augen leuchtend stolz.

WEISSPRINZ.

Nun Prinzeß, du hast gehöret,

Wie er dich hat angeschwärzt.[124]

MOHRENPRINZ.

Weiß machst du dirs, ganz bethöret,

Sie ist schwarz, ich sag's beherzt.

WEISSPRINZ.

Nein, ich kenn ihr Angesicht

Lieblich, wie das Sonnenlicht.

MOHRENPRINZ.

Nein, du liebest sie noch nicht,

Nein, du liebest nur das Licht,

Und du möchtest weiß ihr machen,

Daß sie weiß und bleich, wie du,

Sie wird deines Hochmuths lachen,

Lasse endlich sie in Ruh.

WEISSPRINZ.

Nun Prinzessin, du willst schweigen,

So entscheide doch den Streit,

Bist du schwarz, so wird sich's zeigen,

Ich entsag dann ganz bereit.

MOHRENPRINZ.

Endlich hebe auf den Schleier,

Und beschäme diesen Schreier,

Gelt, du willst dich sehen lassen,

Bist du weiß, so bist du sein.

PRINZESSIN zum Mohrenprinz.

Lasse ihn nur eitel spaßen,

Ich bin schwarz und ich bin dein.

PRINZESSIN zum Weißprinz.

Ei du kannst dich drauf verlassen,

Ja bin weiß wie Elfenbein.

WEISSPRINZ.

Zeig dich, zeig dich meine Schöne.

MOHRENPRINZ.

Daß sich Lieb und Treue kröne.

PRINZESSIN.

Schönheit, Schönheit ist vergänglich,

Und das Leben ist so lang,

Eine Frage ist verfänglich,

Eine Frage macht mich bang:

PRINZESSIN zum Weißprinz.

Wenn ich alternd, wie die Birnen,

Bräunte aus dem frischen Roth?

WEISSPRINZ.

Ach das hat noch keine Noth.[125]

PRINZESSIN zum Mohrenprinz.

Würdest du mir niemals zürnen,

Wenn mein Haar einst weiß gebleicht?

MOHRENPRINZ.

Nichts an Schönheit je dir gleicht.

PRINZESSIN.

Wohl so leg ich nun den Schleier,

Und so seht mich beide an,

Beide wart ihr meine Freier,

Und nun hab ich keinen Mann.

MOHRENPRINZ.

Du bist weiß, das ist abscheulich,

Alterst du denn also schnell?

WEISSPRINZ.

Schwarz wie Ruß scheint unerfreulich,

Gestern schienst du blank und hell.

PRINZESSIN.

Seid ihr beide noch so treulich,

Wie ihr beide schworet neulich?

WEISSPRINZ UND MOHRENPRINZ.

Wer zwei Schwüre angenommen,

Hat ein falsches Spiel begonnen.

PRINZESSIN.

Wie gewonnen, so zerronnen!

Wer zum Spiegel mich genommen,

Hat sich selbst in mir geliebet,

Und der werde nun betrübet.

Wißt, hier ist ein falscher Schein,

Falsches Licht strahlt hier herein,

Wechselt einmal eure Plätze

Und dann schauet nach mir her,

Seht ihr nun die alten Schätze?

Doch ihr habet sie nicht mehr.


Jeder Prinz kommt an der ihm gleich gefärbten Maskenseite zu stehen.


MOHRENPRINZ.

Schön, du bist so schwarz wie ich.

WEISSPRINZ.

An der Weiße kenn ich dich.

PRINZESSIN.

Für euch beide war ich reich,

Schwarz und weiß bin ich zugleich,[126]

Wie ein Dambrett schwarz auf weiß,

Also ist der Damen Weis'.

Schwarz auf weiß, Kontrakt und Name

Wünschet jede fromme Dame;

Doch ihr wolltet mich erst prüfen,

Ach ich kenn der Herzen Tiefen!

Hier zum Abschied geb ich euch

Ein Geschenk, das macht euch reich,

Nehmt die beiden gleichen Spiegel,

Seht euch drin und liebt euch recht,

Und ich geb euch Brief und Siegel,

Ihr vergeßt mein bös Geschlecht.


Sie wendet sich nach dem Hintergrunde.


MOHRENPRINZ.

Nun ich alles hab verloren,

Mag ich mich nicht selber sehn,

Gleiche Farb ist mir geboren,

Wie auf ihren Wangen schön,

Und nun ist sie fern und weit,

WEISSPRINZ.

Du warst Ursach an dem Streit.

MOHRENPRINZ.

Willst du Streit, du sollst ihn haben.

WEISSPRINZ.

Stolzer Thor, laß dich begraben.

MOHRENPRINZ.

Ich zertrümmre meinen Spiegel,

So zerstöre ich auch dich.


Er ersticht ihn.


WEISSPRINZ.

Stößt du auf des Lebens Riegel?

In den Himmel stößt du mich.


Stirbt.


PRINZESSIN wiederkehrend.

Scherz war doch mein Abschied nur

Seht ich komm zur alten Spur,

Lange dauerte mein Wählen,

Will dem Weißprinz mich vermählen.

Mohr du mußt dich drein bequemen,

Einen kann ich doch nur nehmen.

MOHRENPRINZ.

Wohl so nimm mich, denn alleine

Steh ich hier und bin der deine.[127]

PRINZESSIN.

Weh mein Liebling ist gefallen

Und er fiel von deiner Hand,

Sag, nie kannst du mir gefallen,

Da du trennst der Liebe Band.

MOHRENPRINZ.

Wie, du kannst ihn noch beweinen,

Hier in meiner Gegenwart,

Und du nennest ihn den deinen,

Ha, nun merk ich deine Art:

Ach du liebst nur was verloren!

PRINZESSIN.

Sag, was soll ich mit dir Thoren,

Der sich ewig möchte schlagen,

Statt was schönes mir zu sagen.

MOHRENPRINZ.

Stirb, weil du mich nicht kannst lieben,

Mit dem Buhlen schnell zugleich!


Er ersticht sie.


PRINZESSIN.

Sag, was kommst du her von drüben

Aus dem schwarzen Mohrenreich,

Wenn du gar nichts willst, als stören

Andre in den Freudenchören.


Stirbt.


MOHRENPRINZ.

Ja da liegt sie nun schon todt,

Spart der Welt das Abendbrod,

Weiß ich selber, was ich will,

Lieben muß ich ewiglich,

Und nun sitz ich vor mir still,

Und nun schrei ich freventlich,

Leben muß ich, kann nicht sterben,

Bin verzaubert an die Welt,

Weil sie diesen Leichnam hält.

Ach wer schmeckt den Schmerz, den herben,

Der mich will so ganz verderben.


Er geht heftig umher.


Flieht mich, wie ein Jägerspieß,

Den der Teufel durch die Lüfte stieß![128]

Fliehen muß ich mich und finden

Muß ich mich auch überall;

Durchs Jammerthal

Muß sich in zehnfacher Krümmung winden

Mein Thränenstrom!

Ich war einst fromm,

Sah so zutraulich der Welt ins Auge,

Mochte mich durchschlagen,

Mochte zu lieben wagen,

Ach, daß ich nun zu gar nichts tauge!

Wüthen möcht ich und muß weinen,

Weinen will ich und muß wüthen

In den Blüthen,

In den meinen,

Keine segensreiche Frucht

Mich erquicket auf des Lebens Flucht.

PAMPHILIO als Weißprinz, flüstert leise zu Cardenio. Jetzt eile fort, du fällst ganz aus dem Spiele du machst uns unglücklich.

MOHRENPRINZ.

Nein ich find nicht eher Ruhe,

Bis ich find ein glücklich Paar,

Schüttle dann den Staub der Schuhe,

Wische mir die Augen klar.

Was ich suche ist mir nah,

Und Olympie mit Lysandern,

Stehn vor mir so glücklich da,

Lassen mich nicht weiter wandern.

WEISSPRINZ UND PRINZESSIN stehen auf.

Und der Zauber ist gelöst,

Da zwei Glückliche gefunden,

Die in treuer Lieb verbunden.

Leben ist uns eingeflößt,[129]

Und der Mohrenprinz versöhnt,

Unser Hochzeitfest verschönt,

Unsre Hände legt zusammen,

Da vereint des Herzens Flammen.


Der Mohrenprinz thut dies unwillig.


WEISSPRINZ UND PRINZESSIN.

Solche List muß man gebrauchen

Um zu seinem Zweck zu kommen,

Erst da war uns so beklommen,

Und die Worte uns vergehen,

Alles das habt ihr gesehen.

HEROLD.

Lernet euer Glück erkennen,

Andre müssen weit nach rennen,

Andren will es nicht begegnen

Oder erst nach Schmerzen segnen

So was denket nun dabei,

Oder andres – einerlei.


Ende des Maskenspiels.


LYSANDER. Sehr zierlich, sehr geschickt, ich sag euch Dank ihr werthen Freunde, vermehrt der Gäste Zahl, wenn ihr euch eures Schmuckes habt entladen vergebens rath ich, wer ihr seid, so kunstreich habt ihr euch verstellt, doch rath ich aus des Spieles Sinn daß ihr mir werthe alte Freunde seid. Olympie ist allzuheftig heut bewegt, verzeihet ihr, wenn sie den schuldgen Dank verschweigt.

OLYMPIE indem sie Cardenio, der reden will, unterbricht. Mag euch ein Glück begegnen, wie ihr im innern Herzen uns gewünscht, dem Himmel sagen wir für unser Schicksal Dank.


Die Masken entfernen sich mit Verbeugungen.[130]


OLYMPIE vor sich. Endlich komme ich zu Athem, wie vergebens ist die Furcht, wo ein Unglück naht, da schläft sie und umschleicht des Glückes Tage. Laut zu Lysandern. Weislich ist das Spiel gewesen, warnend vor den bösen Folgen wilder Leidenschaft, die das bessre Leben störet, uns den niedern Kräften opfert, warnen solls vor Eigenliebe und vor jedem Doppelsinne.

LYSANDER. Das hast du wohl gesprochen, verlor ich doch die Lehre bei dem Toben jenes Mohren aus den Augen, der spielte gar zu wild; ich meine doch, in jeder Kunst muß jene Grenze streng bewahret werden, die sie von der gemeinen Wirklichkeit geschieden. Ich glaub dies lernte ich auch schon von dir, ach vor allen hohen Schätzen, preis ich hoch ein edles kluges Weib. Er küßt sie.

VIREN tritt zu ihnen. Könnt ihr nicht warten bis ihr in der Kammer seid, schämt euch, wie ihr schon so zusammen kriechet, statt eure Gäste mit Gesprächen zu verbinden.


Zu der Gesellschaft.


Herren und Frauen,

Ihr lebt nicht vom Schauen,

Essen und Trinken

Will höflich uns winken,

Und der Herr Bräutigam

Führe die Braut voran.


Lysander führt Olympien in das erleuchtete Nebenzimmer, die Gäste folgen gepaart.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 122-131.
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