Fünfter Auftritt.

[90] Das Wohnzimmer des Juden Nathan.

Zwei Knaben sitzen am Boden und spielen mit Papieren und singen.


Ein Zicklein, ein Zicklein,

Das hat gekauft das Väterlein

Um zwei rothe Pfenning

Ein Zicklein[90]

Da kam das Kätzlein

Und aß das Zicklein,

Das hat gekauft mein Väterlein

Um zwei rothe Pfenning,

Ein Zicklein, ein Zicklein!


Nathan tritt in einem Schlafrocke, die Tabakspfeife der Hand, herein.


Es soll sein ein Abgeordneter von den Juden in Jerusalem, daß wir ihnen geben Geld, damit sie kaufen los ihre Juden, die da schmachten in der Gefangenschaft von den Türken, es soll sein, er hat seine Briefe, aber was gehts mich an, schickt mir einer aus Jerusalem ein Geld, wenn ich meine Wechsel nicht bezahlen kann und komm in die Gefangenschaft von den Christen, er solls sein, wenn er nun mit dem Gelde geht in die weite Welt? soll ich mitlaufen, Krieg die Kränk, Ahasverus. Für die Juden soll ich bezahlen, Wein trinken mit den Christen bei Pernize, au weih, wie soll das gehn zusammen, Christen sind Verschwender, lassen sich taufen meine Kinder, werden sie auch Verschwender, ich hab es immer geförcht, wenn ich sie laufen sah mit der Wurst, mit dem Schinken. Wer die Forcht hat, der hats Malör. Ich habe nichts gegen das Taufen, laß ich doch meine Kinder waschen alle Tage, aber das Taufen löscht den Credit aus, da wollen sie Staat machen, wie die Christen, sprechen von das Literatur, sind nervenkrank, was ich spar bei der Lampe, verbrennt beim Wachslicht,[91] Thee und Chocolate alle Tage und der Zucker – der Zucker steigt seit gestern wieder ganz erschrecklich, ich verkauf noch nicht, er muß noch höher steigen – wenn sie doch dächten, wie viel Bienchen das ganze Jahr zusammentragen, an einem Wachslichte. Was so ein kleines Thierchen nicht kann, wenn die Kinder doch auch so was machen könnten, die machen aber was Schönes, wozu haben sie ihre menschliche Seele, wenn sie nicht einmal so einträglich sind wie die unvernünftigen Thiere – die Kinder schicken meine Töchter ein, wenn sie nichts mehr haben, ich seh sie nicht an, es sind Christenkinder, die jagen alle gute Engel weg, sie kosten mir doch alle Tage was, ein Tag und alle Tage für sechs Pfennige Milch, für sechs Pfennige Semmel, dann ...

DIE KINDER unter einander. Das Wechselche ist fällig, ich kann nicht prolongiren, ich bin ein geschlagener Mann, die Messe ist vor der Thür.

NATHAN. Kinderchen, je was macht ihr denn ihr Kinderchen, ei sagt, was spielt ihr denn, ihr lieben Kinderchen, was versteht ihr denn vom Prolongiren?

EIN KIND. Wir spielen Wechselches.

NATHAN. Wechselches, du kleiner lieber Narr.

DER ANDRE. Er will das Wechselche prolongirt haben, da muß ich einen neuen Wechsel schreiben auf das Doppelte.[92]

NATHAN. Das Doppelte, ja wenns geht, du kleiner Nimmersatt, a Kochem, allemal sind die Mins nicht so dumm.

DER ANDERE KNABE. Ich muß es haben, ich muß es haben, ich will bezahlt haben mein Wechselche.

NATHAN. Dein Wechselche! du gnädiger Gott unsrer Väter, dein Segen ruht auf dem Samen deines Volkes, abwaschen kann ihn nicht die Taufe. Kinderche, liebe Kinderche, steigt auf's Tischche, kommt auf meine Arme.

DIE KINDER. Die Thränchen laufen dir über die Backen. Großväterchen, warum bist du denn heute so freundlich?

NATHAN. Mein Segen über euch, ihr seid gute Kinder, viele Freude werd ich erleben an euch.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 90-93.
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