Achter Auftritt.

[101] CARDENIO wild, überwacht stürzt herein und sieht den Nathan nicht. Pamphilio ist hier herein getreten, ob er mir Geld wird schaffen; ich muß es haben, wenn es auch mit Eisenketten an den Himmel fest geschmiedet. Fluch der Schönheit, die mich hat gefangen[101] und der Zeit die ich verloren, seufzend, stöhnend und verzweifelnd, Fluch dem harten Spiel der Liebe, wo ich alles aufgesetzet, nichts, ach nichts gewonnen habe. Wie willkommen wart ihr da, wunderliche Fratzenbilder, lustge Karten, König Ogier und Cäsar und der Stempelschneider Ulrich, ihr wart da gewaltge Götter und ihr wolltet mir nicht wohl, habt das Meine mir in Opfern und in Strafen entrissen, Vatersorge, Mutterpfennige dienen euch zur besten Nahrung. Doch da las ich euren Willen wie einst Nabuchodonosar, daß nur eure falschen Priester euch zu solchem Greuel brauchen, hab euch um die Ohren all der Gauner, der verfluchten Spieler in dem Kreise tanzen lassen, Wein und Flaschen, Stühl und Bänke nachgesendet, daß es in der Mördergrube wie im Tartarus geschienen, siegend stand ich einsam durstig und wie Tanalus so leckt ich nach dem Weine, der am Boden floß und nach dem Weine, der hernieder von der Decke tropfte, und er schmeckte mir wie Blut und der Hauptmann lag am Boden, den ich hatt mit Trumpf gestochen, als ich ausgespielt die Seele. Lieg du Hund, hattest lange alle Welt so schlau betrogen, doch der Tod war dir zu klug, zeigte mir die falschen Karten und die Volten, die du schlugst, und ich war sein rechter Arm, deine Seele komm auf mich, in dem Himmel gilt sie nichts und die Hölle nimmt sie sehr gerne. Keiner wird mich hier verklagen, jeder nahm von deinem Gelde, ich[102] allein, ich mogt es nicht. – Geld, das muß ich dennoch haben, nur die Juden haben Geld jetzt am End des halben Jahres; wenn es keine Juden gäbe, hätt ich nimmermehr gespielt; hätt ich nicht mitgespielt, hätte ich den Hauptmann nicht erstochen. – Jude du mußt alles mir bezahlen, seh zum Glück ein Säckchen Geld nah bei deinem Haupte liegen, gieb mirs nur gutwillig her, sag mir nur kein schiefes Wort, möchte heut der Menschen schonen. – Heda Jude!

NATHAN. Herr Graf – sehen Sie, wie ich gelaufen bin – bin Halbschlafend. ganz müde, sehr miserabel – meine Kolik – das Wechselche liegt auf dem Tische – unterschreiben der gnädige Herr, ach wie thun mir alle Glieder, so weh so weh – da liegt das Geld alles richtig eingezählt.

CARDENIO. Jud, du bist wohl gar ein Zaubrer, da du siehst im Schlafe die Gedanken. Gut, ich unterschreibe dies – und neun Prozente, das ist nicht zu viel, nimm den Strick von Beutel noch dazu, wenn du dich zu hängen Lust hast. Er unterschreibt und steckt das Geld ein.

NATHAN. Wei, o wei, wie wüst ist mir im Kopfe! –

CARDENIO. Sonst, wenn er gesund, da spricht er wenig jüdisch, das Judenthum muß eine Krankheit sein. Der Kerl weiß jetzt von seinen Sinnen nicht.

NATHAN. Ja trinken Sie nur immer, wenn es[103] schmeckt, Herr Graf Lysander, ist denn schon heute dero werthe Hochzeit?

CARDENIO. Von welcher Hochzeit faselt der besoffne Esel.

NATHAN. Das müssen Sie ja wohl am besten wissen mit Olympichen, dem gnädigen Fräulein.

CARDENIO. Hund, was rufst du in die Seele, daß mir alle Adern starren, du hast Christum auch gekreuzigt, da du mich so martern kannst. Weh, es ist gewißlich wahr, was der Thor im Schlaf gesprochen, weinen möcht ich, habe keine Thränen, daß die Welt mir ging verloren, könnt ich weinen ohne maßen und in Thränen ganz zerfließen und in meinem wilden Strome sie ergreifen, zu mir reißen! Machtlos tönet meine Klage, ganz vernichtet tief gebeugt von der hohen Schönheit Wunder, von der Tugend hohem Blick, was ich träume, was ich denke, alle Kraft entseufzt dem Busen, alle Flügel sind gelähmt! Jener Schelm kann doch verschlafen seinen Rausch, aber ewig rauscht es wilder mir in meinem Hirn, jagt mich rasender zum Abgrund. – Ach Olympie das ist zu hart. Er geht.

NATHAN. Neun Prozent – Nathan, was bist du wieder für ein Schlingel gewesen – gewiß hast du zu viel getrunken. Schläft ein.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 101-104.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Halle und Jerusalem
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVI. Halle und Jerusalem. Studentenspiel und Pilgerabenteuer
Halle und Jerusalem: Studentenspiel und Pilgerabentheuer (Jahresgaben Des Verlages)