Die Taufe auf dem Meere.

[271] Sidneys Admiralschiff der Tiger, Sidney und Lysander auf dem Verdeck.


SIDNEY. Seht, werther Graf, ich schwimm doch lange schon auf allen Meeren, doch solche Stille sah ich nie wie heute, die platte Fläche sieht so starr uns an, daß unser Aug es kaum ertragen kann, es sieht zum Himmel dieses große helle Auge unseres Planeten, auf dem wir schwimmen wie ein Stäubchen es ist ein Festtag heute aller Welt, ein Feiertag, den wir auch mitbegehen müssen.

LYSANDER. Es ist doch wahrlich schade, daß unser Herz sich dem Kalender fügen muß, auch mir ist heut seit jenem frohen Trauertage, der mir den Sohn geschenkt, der Frau den Bruder hat geraubt, zum erstenmal recht frei ums Herz, ich wollt es wäre Sonntag, die Sonne scheint so hell.

SIDNEY. Zum erstenmal vermiß ich heut des Schiffes Prediger, der in dem Portwein ist ertrunken er sollte uns dein Kindlein taufen, es war ein schönes Fest, ein seltnes Fest, bei Gott ich möcht es bei der Taufe halten und meinen Namen, meinen Sinn mit meinem Segen in dem Kind verdoppeln.

LYSANDER. Der Vater darf des Priesters Amt verrichten, nichts hindert uns mein gütger Freund in dieses Meeres blauen Spiegel des Knaben Seele in[271] dem Meere der Gnade einzuankern, daß sie kein Sturm des Lebens mag verdrängen und zerscheitern.

SIDNEY. Ich lieb das Rasche und vor allem liebe ich den Augenblick, mag er uns alles nehmen oder geben, gleich eile ich das Schiff zum neuen Feste zu bereiten, thut Ihr das eure, holt das Kind und denkt auf den Sermon. Ab.

LYSANDER. Ich soll hier Redner werden, ich weiß kein Wort zu sagen als meine Freude, mein Gebet, daß dieses Kind gesund und rechtlich lebe, gut daß Olympie jetzt kommt, die wird mir rathen können.


Olympie in den Kleidern einer reinlichen Magd tritt mit dem Kinde zu ihm.


OLYMPIE. Was habt ihr mir befohlen, gnädger Herr?

LYSANDER. Laß diesen Augenblick die schmerzliche Verstellung, die alle wahre Ordnung in der Welt verwirrt, um dieser Schiffsordnung ein liebend Herz zu fügen. Du meine Magd, die ewig meine Herrscherin! Das schlechte Kleid kann nicht dein hohes Wesen mehr verbergen, ein jeder sieht in dir schon einen höhern Stand; ich denk wir lösen heute dieses Räthsel, wo nach dem Willen Sidneys unser Knabe in christlicher Gemeinde aufgenommen wird.

OLYMPIE. Ganz überraschend ist mir dieses Wort, ganz heimlich wird es doch geschehen, das Kind[272] ist nicht zur feierlichen Handlung angekleidet, auch fehlt der Prediger.

LYSANDER. Sieh mich recht an, hab ich nicht etwas Christliches in mir, ich muß als Vater seine Stelle heut vertreten, o rathe mir was ich da sprechen soll.

OLYMPIE. Mich ängstigt dein Scherz, du nimmst zu leicht, was einer Mutter wichtig ist.


Sidney, Bromly kommen mit der Schiffsbesatzung unter Trommelschlag.


SIDNEY. Gut, daß ihr schon beisammen. Halt. Singt doch ein frommes Lied ihr Leute, singt.

DEUTSCHE SOLDATEN.

Die Welle ist des Menschen Bild,

Die in dem weiten Meere quillt,

Sie steiget auf und sinket nieder,

Dieselbe kehret nimmer wieder,

DIE ENGLISCHEN MATROSEN fallen ein.

Ganz allein auf weitem Meere

Schwebt der Briten hohe Ehre,

Hat der Meere Wuth bestritten,

Alles Meer beherrschen Briten.


Briten, auf dem Meer geboren,

Haben Freiheit nie verloren,

In den Stürmen, auf den Wogen,

Hat die Freiheit sie erzogen.


Denn von allen Tyranneien

Wollen sie die Welt befreien,

Gott der Herr hat sie erkoren,

Und die Welt geht nicht verloren.[273]

SIDNEY. Hurrah. Hurrah. Hurrah. Setzt die Schaluppe aus, daß wir das Kind eintauchen ins offene Meer zum Zeichen der Taufe.


Sidney, Bromly, Lysander mit dem Kinde und Olympie steigen in die Schaluppe.


OLYMPIE. Bewahrt mein theures Kind recht sorgsam, ach einen theuren Bruder hat mir schon das Meer entrissen.

LYSANDER. Vergiß den Schmerz in dieser Feier. Nun fang ich an so gut es gehen will zu taufen. – Dich meinen Sohn, rechtmäßig in der Ehe erzeugt mit dir Olympien von Saalathen.

BROMLY. O meine Schwester du, ich ahnete es lange, ich bins, dein jüngster Bruder Giron, der dich früh verlassen, erkenne mich, o Gott erkenne mich.

OLYMPIE. Mein Bruder! ja die Stimme sagt es mir, wenn ich dein kindisch Haupt in diesen ernsten narbenvollen Wangen gleich nicht wiederkenne.

LYSANDER. Mein theurer Schwager. Umarmung.

SIDNEY. Freund du weißt, was ich bei deinem Glücke fühle, du weißt wie wir verbunden sind! – wenn mich die Welt nicht täuscht, der Kriegszug den wir so froh begonnen, er wird der größte unsres Lebens, ein groß Geschick will uns zum Glück durch Glück bereiten, sei auch im Glücke mäßig, störe nicht die angefangne Feier dieses Festes mit süßem Kuß des Wiedersehens.

LYSANDER. Verzeiht, mein Herz ist zu voll, sei[274] dieses Stammeln Gottes Lob, sei dieses Zittern meiner Hände, Dank. Und du geliebtes Kind, das ich zum Zeichen Gottes des Vaters, des Sohnes, des heiligen Geistes ins Meer getaucht, sei auch getauft am Feuer Gottes das im Herzen, auf den Lippen glüht und dieser Kuß sei die Versieglung deines Glaubens, sei deiner Ehre Zeichen der Name Sidney, den ich dir feierlich verleihe, sei meines Bruders Name Giron dir stets erinnerlich des Glücks, was deine Taufe uns verliehen, trage jenen vor der Welt und beide in dem Herzen.

SIDNEY. Amen. O seht ein gutes Zeichen, ein frischer Wind von Westen löst unsres Laufes Stillestand; er führt uns mit dem Feiertage gegen Akre, wo Großes sich ereignen kann. Auf, frisch ins Schiff, noch giebts der Augenblicke mehr zur Freude, wenn die der Thätigkeit erst wohlbenutzet.

BROMLY. Es zieht dein Heldengeist entzückend mir durchs Haupt; geliebte Schwester, mit meinen Armen heb ich dich aufs Schiff, wie du als Kind mich sorglich oft getragen.

LYSANDER. Wie ist uns allen wohl.

OLYMPIE. O Himmel gieb dem Glücke Dauer.

SIDNEY. Seid sorgsam über euch, daß keiner euch errathe.[275]


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 271-276.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Halle und Jerusalem
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVI. Halle und Jerusalem. Studentenspiel und Pilgerabenteuer
Halle und Jerusalem: Studentenspiel und Pilgerabentheuer (Jahresgaben Des Verlages)

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Jenny

Jenny

1843 gelingt Fanny Lewald mit einem der ersten Frauenromane in deutscher Sprache der literarische Durchbruch. Die autobiografisch inspirierte Titelfigur Jenny Meier entscheidet sich im Spannungsfeld zwischen Liebe und religiöser Orthodoxie zunächst gegen die Liebe, um später tragisch eines besseren belehrt zu werden.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon