Die drei Alten in Jerusalem.

[360] Nacht in der Nähe der Kirche des heiligen Grabes. Drei alte Männer treten zusammen in der Nacht.


ERSTER ALTER. Einer der durch die Pforte gegangen.

ZWEITER ALTER. Einer der aus dem Grabe gekommen.[360]

ERSTER ALTER. Eins und eins sind zwei.

DRITTER ALTER. Einer der durch die Luft gezogen.

ERSTER ALTER. Einer und einer und noch einer sind drei, drei sind die Gemeinde. Du, der durch die Luft gezogen, wie heißt das Wort des Tages?

DRITTER ALTER. Zwischen weiß und schwarz, zwischen kalt und warm, schwebet der Mensch, besser kalt als schwarz.

ERSTER ALTER. Was bringst du von den Menschen?

DRITTER ALTER. Wie immer.

ZWEITER ALTER. Nichts Gutes.

DRITTER ALTER. Sidney hat sich rückwärts gewendet.

ERSTER ALTER. Zu wem?

DRITTER ALTER. Zu Olympien.

ZWEITER ALTER. Sie ist zu Gott gewendet.

ERSTER ALTER. Ich werde ihm tröstlich erscheinen. Aus einander, auf Nimmerwiedersehn, gute Nacht.

ZWEITER ALTER. Auf Allesvergessen, gute Nacht.

DRITTER ALTER. Bis zum jüngsten Tag, gute Nacht. Alle drei auseinander fort.


Die Juden kommen von allen Seiten angeschlichen.


RABBI. Kümmt kümmt ihr Juden, hier sieht euch niemand, hier legt das Feuer an, da sollen erst[361] die Christen Wunder sehen wenn ihre Kirche brennt über ihnen.

JUDE. Ich weiß nicht wies mir geht, ich schlag mir die Knöchel ab, es kommt kein Funken, bin ich blind?


Ahasverus, der sich mit Cardenio und Celinde mühsam herangeschlichen.


AHASVERUS. Siehst du das Licht des Herrn nicht?

JUDEN. Wir sind verrathen, fort, fort. Sie fliehen.

AHASVERUS. Euch wird das Feuer noch erreichen. Hier meine Kinder laßt mich ruhen, ich finde Ruhe wieder in dem Herzen, seit mich der Herr zur Rettung seines Heiligthums bestimmte.

CARDENIO. O nimm mich mit zu deiner Ruhe Vater.

CELINDE. Auch mich.

AHASVERUS. Cardenio geliebter Sohn, du bist zu einer hohen Freude noch bestimmt; mich lasse hier in höhrer Hand, ich habe alles überlebt, ich sterbe.

DIE DREI ALTEN kommen. Er ist unser, weicht von ihm.

AHASVERUS. Euer Antlitz darf ich schaun.

DIE DREI ALTEN. Und des Meisters Angesicht.

AHASVERUS.

Selig, selig, wer den Herren schauet,

Ach es weicht die dunkle Erde,[362]

Kinder, Kinder ihm allein vertrauet,

Segnet Schmerzen dieser Erde,

Meine Thränen, meine Leiden

Sind erblüht zu ewgen Freuden.


Er stirbt.


CARDENIO. Wehe uns, er stirbt.

CELINDE. Wehe, wehe, hier an seiner Seite wird mir wohl.

DIE DREI ALTEN. Weicht von ihm, denn er ist unter den Seinen, schreitet weiter noch ins Leben eh ihr wagt zu ruhn.


Die drei Alten tragen die Leiche fort, Cardenio und Celinde bleiben betend liegen.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 360-363.
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