Die Krone

[154] Es war ein alter König,

Der hatt' 'ne schöne Magd;

Da freut' er sich nicht wenig,

Weil sie ihm wohl behagt.


Er läßt die Ritter laden,

Zu seinem Hochzeitfest.

»Es wird dir wahrlich schaden!«

Sagt Einer seiner Gäst.


Da sprechen sie gleich alle:

»Wir bleiben dir nicht treu,

Wenn du uns aus dem Stalle

Die Königin holst herbei.«


Er nimmt vom Haupt die Krone,

Er sieht sie schweigend noch an,

Und wirft sie von dem Throne

Auf den ersten, besten Mann.


Und ruft: »Wer sie gefangen,

Der soll mein König sein,

Ich hab' nicht mehr Verlangen

Zu herrschen ledig allein.«[154]


»Es mag ein jeder werden

Was ich gewesen bin,

Dieweil ich nun auf Erden

Erst lustig worden bin!«


Auf den die Kron' gefallen,

Dem schlug sie ein das Hirn,

Das war der Eine von allen,

Der mit der frechen Stirn.


Ja wem die Krone fallen,

Dem fällt ein schweres Loos,

Doch vielen sie gefallen,

So wird er sie bald los!


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 154-155.
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