An die Leser

[322] Ich erfülle die Bitte vieler Freunde dieses Gedichts, indem ich es nochmals dem Drucke übergebe. Es ist in wenigen Stunden durch die ehrenvolle Aufforderung des Königl. Kammermusikus Herrn Schneider entstanden; die Aufführung drängte, es konnte wegen dieser Eile so wenig erschöpfend sein, daß es sehr bald von mehreren Gedichten übertroffen worden; inzwischen hat es durch die frühe Bekanntmachung und musikalische Aufführung ein gewisses öffentliches Dasein erhalten. Es drückt die Volksgesinnung am nächsten aus: fremdartiger Kirchenstyl und poetische Eigenthümlichkeit sind darin vermieden und so mag es wohl als musikalisches Gelegenheitsgedicht einigen Werth behalten. Da ich es einige Tage früher verfertigte, ehe der wirkliche Einzug der hohen Leiche erfolgte, so können sich die Leser erklären, daß ich die Empfindungen des Volkes, die schönste Verklärung der Verewigten, bei dem geöffneten Sarge auszusprechen suchte, ungeachtet der Sarg gegen die frühere Einrichtung, aus dringenden Ursachen verschlossen bleiben mußte. Leicht hätte ich es ändern können. Dieses Verschließen war so rührend und ergreifend, da ich aber niemand rühren, sondern mich und andre trösten wollte, so ließ ich diese Gelegenheit, mich den härteren Herzen zu empfehlen, unbenutzt, um alle Aufmerksamkeit, alles Gefühl der guten Seite des Schmerzes, seiner stärkenden begeisternden Kraft zuzuwenden. Da jedes Gedicht, das der Musik bestimmt ist, ohne Musik seiner wesentlichsten Hälfte beraubt ist, so habe ich durch die, für die Musik ausgelassenen Zwischensätze diese Lücken nicht zu füllen, sondern zu decken gesucht. Ruhige Zeiten werden tausend bessere Lieder hervorbringen, ich bitte auf mich selbst gütig anzuwenden, was ich im Namen einiger Sänger, die in der ersten Probe durch das Rührende des wirklichen Ereignisses an der Darstellung verhindert wurden, den Zuhörern in den folgenden Stanzen zur Entschuldigung gesagt habe.

Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 322.
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