Rundgesang gegen die Unterdrücker des Werdenden

[109] Auf, ihr meine deutschen Brüder,

Feiern wollen wir die Nacht,

Schallen soll der Trost der Lieder

Eh' der Morgenstern erwacht,

Laßt die Stunden uns beflügeln,

Daß wir aus der dunkeln Zeit,

Wie die Lerchen von den Hügeln

Flüchten in die Göttlichkeit.


Alter Glanz ist nun verflogen,

Gestern ist ein leeres Wort,

Scham hat unsre Wang' umzogen,

Doch der neue Tag scheint dort.

Unerschöpflich ist die Jugend,

Jeder Tag ein Schöpfungstag,

Wer mit froher, reiner Tugend

Fördert was sein Volk vermag.[109]


Eine Ernte ist getreten

Von dem Feinde in den Koth,

Eh' ihn unsre Schwerter mähten,

Doch wir wuchsen auch in Noth,

Eine Saat ist aufgestiegen,

Drachenzähne setzt die Brut,

Mag es brechen, will's nicht biegen,

Jugend hat ein heißes Blut.


Bei gestürzten Edeltannen

Steigt die Saat viel freier auf,

Als wenn seltne Strahlen rannen

Durch der Wipfel Säulenknauf;

Ruhmessäulen setzen Gränzen

Unsrer Jugend frischem Glück,

Frischer Lorbeer soll dich kränzen,

Deckt kein alter Kranz den Blick.


Hebt die Hüte auf zur Sonne,

Lüftet euch im frischen Wind;

Athmet ein die Gegenswonne,

Erster Athem sei dir's, Kind;

Bade rein vom alten Staube,

Heb' dein Aug' im Morgenglück,

Und es kommt der alte Glaube

Mit dem neuen Muth zurück.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 109-110.
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