Adelnssucht

[364] Frische Liedlein.


Mancher jetzund nach Adel strebt,

Hätt er nicht Geld,

Würd öfter um sich schauen,

Gedenken wer sein Vater war,

Ders ganze Jahr

Den Acker muste bauen;

Der jetzund sich

So gar höflich

Beyn Leuten thut aufschmücken,

Hälts nicht dafür,

Als wenn man spür,

Daß er den Pflug kann zwicken.


Wenn er nun kommt zum Abendtanz,

So gilt sein Kranz

Mehr denn der andern allen.

Er krümmt sich fast nach Adelssitt,

Sein gemeßner Tritt

Thut ihm selbst wohlgefallen.

Wer hätt vertraut,

Daß solches Kraut

In Dörfern auch sollt wachsen?

Wenn er nur spricht,

Er ist erwischt,

Ist bäurisch ausgelassen.


Weisheit die thut ihm viel zu leid,

Giebt bös Bescheid,[364]

Wenn mans ihm nicht will glauben,

Dünkt sich in aller Sach gescheit,

Doch fehlts ihm weit,

Sieht aus wie saure Trauben.

Im Spiegel-Glas,

Wird sehen das,

Der Kittel ihn bas zieret,

Den seiden Waat,

Den Adelsstaat,

Zu bäurisch Art verführet.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 364-365.
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