Cedron's Klage

[157] Spee Trutz Nachtigal. S. 225.


Da nun Abends in dem Garten,

Daphnis überfallen war,

Und nun keinen Grimm ersparte,

Stark bewehrte Mörderschaar,

Hube süßlich an zu weinen,

Ein so gar berühmter Bach,

Ließ die liebe Sternen scheinen,

Er dem Daphnis trauret nach.


Cedron hieß der Bach mit Namen,

Wohnt an einem hohen Stein:

Oft zu ihm Gesellen kamen,[157]

Damals war er doch allein,

Saß in seinen grünen Grüften,

Strählet seine Binsenhaar,

Spielet gar mit sanften Lüften,

Dacht an keine Kriegsgefahr.


Rohr, und Gras, und Wasserblätter,

Deckten seine Schulter bloß,

Stark er sich bey feuchtem Wetter,

Lehnt auf seinen Eimer groß,

Doch weil er fast müd gelaufen,

Dazumal in starkem Trab,

Er ein wenig wollt verschnaufen,

Goß den Eimer langsam ab.


Nahm ein Röhrlein wohl geschnitten,

Spielet seinen Wässerlein,

Sie zum Schlafen thät er bitten,

Wollt sie süßlich sausen ein:

Eya, meine Wässer schlafet,

Schlafet meine Wässerlein,

Nicht mit Augen immer gaffet,

Eya, schlafet, schlafet ein.


Kaum nun waren eingeschlafen

Seine matten Wässerlein,

Bald erklungen Wehr und Waffen,

Flamm und Fackel gaben Schein,

Nur von tollen vollen Knechten,

Voll war alles überall,

Nur von Jauchzen, Springen, Fechten,

Thal und Ufer gaben Schall.[158]


Cedron erstens gar erschrecket,

War der Waffen ungewohnt,

Bald er seine Wasser wecket,

Wollte der Gefahr entgehn,

Wie die Pfeil vom Bogen zielen,

Lief er ab, auf nasser Meil,

Rohr und Eimer ihm entfielen,

Fiel auch selbst in blinder Eil.


Doch weil nachmals er verspüret,

Es nicht wider ihn gemeint,

Und nur Daphnis werd geführet,

Daphnis vom bekannten Feind;

Ließ er ab von strengem Laufen,

Fasset eine Weidenruth,

Seine Wasser trieb zu Haufen

Und beklagt das junge Blut.


Traurig hub er an zu klagen,

Bließ auf einem holen Ried,

Herz und Muth ihm war zerschlagen,

Sang mit Schmerzen folgend Lied:

Ach, und ach, nun muß ich klagen,

Daphnis, o du schönes Blut!

Ach, und ach, bin gar zerschlagen,

Brechen ist mir Herz und Muth.


Daphnis, o du schöner Knabe,

Daphnis mir so lang bekannt,

Oft bey mir du schnittest abe,

Ried, und Röhrlein allerhand,

Viel du deren hast verschlißen,

Wann du spieltest deiner Heerd,[159]

Seind im Blasen viel zersplißen,

Waren mehr denn Goldes werth.


Oft bey mir die Weide nahmen,

Deine Schäflein silberweiß,

Oft zu mir auch trinken kamen,

In den Sommertagen heiß,

Wann dann spieltest deinen Schaafen,

Und die Röhrlein bliesest an,

Gunten meine Wässer schlafen,

Wankten oft von rechter Bahn.


Auch die Wind sich gunten legen,

Banden ihre Flügel ab,

Kaum den Athem thäten regen,

Wie dann oft gespüret hab,

Auch die Schaaf mit Lüsten aßen,

Süßer wurden Laub und Gras,

Ja des Weidens oft vergaßen,

Deine Stimm viel süßer was.


Auch die Vöglein kamen fliegen,

Kam auch manche Nachtigal,

Deinem Spielen, will nicht lügen,

Hörten zu mit großer Zahl,

Saßen gegen deine Geige,

Saßen dir auf deinem Rohr,

Thäten ihnen freundlich neigen,

Dann das link, dann rechtes Ohr.


Schöne Sonn, du deinen Wagen,

Ließest in gar lindem Lauf,

Wann bey reinen Sommertagen,[160]

Dir nur Daphnis spielet auf,

Schöner Mond, du deine Sternen

Morgens führtest ab zu spät,

Wann auch Daphnis dir von Ferne,

Je zu Nachten spielen thät.


Schöne Sonn magst nunmehr trauren,

Daphnis dir nicht spielet mehr,

Daphnis ist von bösen Laurern

Hingerückt ohn Wiederkehr;

Schöner Mond magst nunmehr klagen,

Daphnis rastet im Verhaft,

O des schweren Eisenkragen!

O der kalten Kettenkraft.


Mond und Daphnis, ihr allbeiden

Oft enthieltet euch vom Schlaf,

Kamet in Gesellschaft weiden,

Du die Sterne, er die Schaf,

Nicht hinführo wacht allbeyde,

Schlaf, o matter Mond! entschlaf,

Nie zusammen werdet weiden,

Du die Sterne, er die Schaf.


Ach ihr Schäflein, wer wird hüten,

Wer soll euch nun treiben auf?

Hirten solcher Mild und Güte

Sind nicht also guten Kaufs.

O des jung und schönen Knaben,

Hirt und Schützen gleiche gut,

Wer soll seinen Stecken haben?

Taschen, Horn und Winterhut?[161]


Wer soll haben seinen Bogen?

Wer den Köcher, Pfeil und Bolz?

Die von ihm so weit geflogen,

Nie gefehlet in dem Holz.

Wer soll haben seine Geigen,

Dulzian und Mandolin?

Ach für Trauren muß ich schweigen,

Ach ade! muß fließen hin.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 157-162.
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