Das Gnadenbild Mariä-Hülf bey Passau

[354] Procopii Mariale festivale. S. 9.


Es wohnt ein schönes Jungfräulein

Bekleidet mit Sammt und Seiden,

Ob Passau in ein Kirchel klein,

Auf einer grünen Heiden,

Dort auf dem Kapuziner-Berg,

In Gnaden sie verbleibet,

Mit Zeichen und mit Wunderwerk

Ihr meiste Zeit vertreibet.


Aus fremden Landen führt sie her,

Erzherzog Leopoldus,

Ihr zu erzeigen alle Ehr,

Das war sein gröste Wollust.

Den schönen Sitz hat ihr bereit,

Ein edler Herr von Schwendi,

Jezt genießt er in der Seligkeit,

Ihr mütterliche Hände.


Auf ihrem Haupt trägt sie ein Kron,

Von Gold und Edelsteinen,

Von Silber ist gemacht ihr Thron,[354]

Auf dem thut sie erscheinen,

Jesus der wahre Gottes Sohn,

In ihren Armen wohnet,

Die Seel, die ihm und ihr thut schön,

Bleibt wohl nicht unbelohnet.


An ihr ist nichts denn Heiligkeit,

Und majestätisch Leben,

Ganz englisch ist ihr Reinigkeit,

Demüthig doch darneben,

Ihr Ursprung ist sehr adelich,

Von königlichem Stamme,

Ich darf sie nennen öffentlich,

Maria heißt ihr Namen.


Vor ihr die Engel neigen sich,

Weil sie Gott selber ehret,

Dienstwillig sie erzeigen sich,

Sobald sies nur begehret,

Die Kaiser beugen ihre Knie,

Die König sie schön grüßen,

Fürsten und Herrn rühmen sie,

Und fallen ihr zu Füßen.


Es stehn vor ihrem Angesicht,

Viel tapfre Edelknaben,

Zu ihrem Dienst dahin gericht,

Die Schild in Händen haben.

Wie Engel stehen ihr so nah,

Der Ablaß und die Gnade,

Die grüßen uns von Ferne da,

Und hin zu ihr uns laden.[355]


Mit vielen zarten Blümelein,

Ist sie gar fein umstecket,

Mit Nägeln und mit Röselein

Wird ihr Altar bedecket,

Davon das ganze Kirchel schier

Ueberaus lieblich schmecket,

Damit das Volk durch solche Zier

Zur Andacht werd erwecket.


Oft Musikklang und Orgelspiel

Thut man da bey ihr hören,

Aemter und Litaneien viel,

Haltet man ihr zu Ehren,

Ihr viel Personen immerdar

Lichter und Ampeln brennen,

Durch welche sie sich ganz und gar

Zu ihrem Dienst bekennen.


Dort sieht man durch die Sommerzeit,

Prozession und Fahnen,

Die Prediger nach Gelegenheit

Das Volk zur Buß vermahnen,

Sie, Reich und Arm, Mann, Weib und Kind,

Loben und benedeien,

Und so sie beichten ihre Sünd,

Thut mans ihnen verzeihen.


Allda sich in ein Klösterlein,

Nicht weit von ihr gelegen,

Viel arme Diener schließen ein,

Allein von ihretwegen;

Daß sie ohn alle Hinderniß

Der Jungfrau mögen pflegen,[356]

Und letzlich nach gethaner Buß,

Erwerben ihren Segen.


Sie hat ein kleines Glöckelein,

Gar wunderschön es klinget,

Gleich wie ein kleines Waldvögelein

In aller Früh es singet,

Sobald es hört ein liebreichs Herz,

Vor Freuden es aufspringet:

Das Volk es locket hinaufwärts,

Wanns in die Luft sich schwinget.


Sie liegt mir an dem Herzen mein,

Holdselig von Gebärden

Wollt Gott, ich könnt ihr Diener seyn,

So lang ich leb auf Erden,

Drum sofern ist in mir was Guts,

Und auch sogar das Leben,

Bis auf den lezten Tropfen Bluts

Will ich gern für sie geben.


Den Bogen sie mit Liebes-Pfeil,

Die Herzen durchzuschießen,

Gespannt zu halten alleweil,

Läst sie sich nicht verdrießen.

Verbreitet ihres Sohnes Licht,

Die Seelen zu gewinnen,

Ihr große Macht darauf sie richt,

Spart keinen Fleiß hierinnen.


Wer nur ansieht ihr schön Gestalt,

Der thut sich gleich verlieben,

Als wär an ihr Magnets Gewalt,[357]

So wird er angetrieben,

Viel tausend Leut so manche Meil,

Ihr zu Gefallen reisen,

Zu kurz ist ihnen Zeit und Weil,

Wann sie ihr Ehr erweisen.


Den sie nur freundlich blicket an,

Den hat sie schon gewonnen,

Ihr Anblick ihn bald fangen kann,

Kommt nimmer gern von dannen,

Nicht wenig thun bekennen das

Von Bösen und von Frommen;

Meinen, es zieh sie weiß nicht was,

So sind sie eingenommen.


Geb Gott, daß stets an diesem Ort,

Sein Name werd gepriesen,

Daß ihm sogar mit keinem Wort,

Ein Unehr werd bewiesen,

Das liebe Kindlein Jesus Christ,

Der Mutter zu gefallen,

Woll helfen thun zu jeder Frist,

All die zur Jungfrau wallen.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 354-358.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Des Knaben Wunderhorn
Ludwig Achim's von Arnim sämtliche Werke: Band XVII. Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L. A. v. Arnim und Clemens Brentano. Band 3
Sämmtliche Werke, Neue Ausgabe. Herausgegeben von Bettina von Arnim und Wilhelm Grimm. Band 06: Des Knaben Wunderhorn I und II. - Reprint der Ausgabe von 1857
Des Knaben Wunderhorn Band 2
Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L.A.v. Arnim und Cl. Brentano. Neu bearbeitet von Anton Birlinger und Wilhelm Crecelius; ... in Holz geschnitten von C.G. Specht: Band. 1
Ludwig Achim's Von Arnim Sämmtliche Werke: Des Knaben Wunderhorn. T. 3 (German Edition)

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon