Das Mädchen und die Hasel

[181] Herder's Volkslieder. I.B.S. 109.


Es wollt ein Mädchen Rosen brechen gehn,

Wohl in die grüne Heide,

Was fand sie da am Wege stehn?

Eine Hasel, die war grüne.


»Guten Tag, guten Tag, liebe Hasel mein,

Warum bist du so grüne?«

»Hab' Dank, hab' Dank, wackres Mägdelein,

Warum bist du so schöne?«


»Warum daß ich so schöne bin,

Das will ich dir wohl sagen:

Ich eß' weiß Brod, trink kühlen Wein,

Davon bin ich so schöne.«


»Ißt du weiß Brod, trinkst kühlen Wein,

Und bist davon so schöne:[181]

So fällt alle Morgen kühler Thau auf mich,

Davon bin ich so grüne.«


»So fällt alle Morgen kühler Thau auf dich,

Und bist davon so grüne?

Wenn aber ein Mädchen ihren Kranz verliert,

Nimmer kriegt sie ihn wieder.«


»Wenn aber ein Mädchen ihren Kranz will behalten,

Zu Hause muß sie bleiben,

Darf nicht auf alle Narrentänz' gehn;

Die Narrentänz' muß sie meiden.«


»Hab Dank, hab Dank, liebe Hasel mein,

Daß du mir das gesaget,

Hätt' mich sonst heut auf'n Narrentanz bereit,

Zu Hause will ich bleiben.«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 181-182.
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