Die Juden in Passau

[88] Aus einem geschriebenen geistlichen Liederbuche in der Sammlung von Clemens Brentano.


Mit Gott der allen Dingen,

Ein Anfang geben hat,

So heben wir an zu singen,

Ein wunderliche That.


Der Christoph Eißenhammer

Durch sein groß Missethat

Fing an ein großen Jammer

Zu Passau in der Stadt.


Zun Juden thät er laufen,

Und fragen sie behend:

»Ob sie nit wollten kaufen,

Das heilig Sakrament?«


Alsbald sie Antwort gaben:

»Er solls ihnen bringen nun,

Sie wollten ihm mit Gaben,

Ein völlig Gnüge thun.«


In stürmischer Nacht, im Finstern.

Brach er die Thüre auf,

Von unser Frauen Münster,

Nahm acht Partikel raus.


Um einen Gulden merk eben,

Er sie alle acht verkauft,[88]

Daß einer, wie zu sehen,

Auf dreyßig Pfennig lauft.


Die Juden ließens zum Tempel,

Bald tragen auf den Altar,

Ein Messer sie auszogen,

Und stachen grimmig drein.


Bald sahen sie herausfließen,

Das Blut ganz mild und reich,

Gestalt sich sehen ließe,

Eim jungen Kindlein gleich.


Das brachte großen Schrecken,

Sie gingen bald zu Rath:

Zwo Hostien zu schicken,

Gen Salzburg in die Stadt.


In die Neustadt auch zwo senden,

Zwo schickten sie gen Prag,

Zwo hielten sie bei Händen,

Hätten darüber Frag.


Sie meinten und verhofften,

Christum auszutilgen gar,

Drum heizten sie ein Ofen,

Worin die Hostien warn.


Doch seht vor ihren Augen

Flogen zwey Engel raus,

Dazu zwo schöne Tauben,

Das machte Furcht und Grauß.[89]


Christoph, der Uebelthäter,

In Sünden hart verblendt

Wie Judas der Verräther,

Stiehlt weiter was er findt.


Als er zu Germansbergen

Angriff den Kirchenstock,

Ergriffen ihn die Schergen,

Sie schlugen ihn in Stock.


Da er nun lag gefangen,

Zu Passau im Oberhaus,

Was er je hätt begangen,

Bekennt er frey heraus.


Da wurden die Unthaten

Der Juden auch vermehrt,

Wie sie gerathen hatten,

Das Sakrament entehrt.


Dem Bischof ging zu Herzen

Solch lästerliche That,

Darauf ohn alles Scherzen,

Er nach ihnen greifen läßt.


Da haben sie bekennet,

Daß sie das Sakrament,

Gestochen und gebrennet,

Und in drey Städt gesendt.


Zwar vier aus den Gefangnen,

Haben sich weisen lahn,

Die Seeligkeit zu erlangen,

Den Glauben genommen an.[90]


Die andern sind verbrennet:

Die vier, so sich bekehrt,

Die Christen sich genennet,

Die gab man zu dem Schwerdt.


Christoph ders angefangen,

Das Sakrament verkauft,

Wurd auch mit heissen Zangen,

Nach etlich Wochen gestraft.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 88-91.
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