Die gefährliche Manschettenblume

[344] Mündlich.


Es stand ein Baum im Schweizerland,

Der trug Manschettenblumen,[344]

Die erste Blume die er trug,

Die war des Königs Tochter.


Des Bauers Sohn darunter war,

Der thäte um sie freyen,

Er freyte länger als sieben Jahr,

Er konnte sie nicht erfreyen.


Der Bauernsohn steigt auf das Nest,

Da oben auf dem Baume,

Der König hält ihn am Mantel fest:

»Was willst mit meiner Tochter?


Sie ist viel höher geboren als du,

Von Vater und von Mutter.«

»Ist sie viel höher geboren als ich,

So bin ich viel höher gestiegen.«


»Und wenn du auch mein Rath schon bist,

Du bist doch nicht vom Blute.«

»Ey König was du jetzo bist,

Das dankest du meinem Blute!«


»Ich dank dir mein Schloß in Oesterreich,

Da sollst du König werden,

Ich schlag dich zum Ritter mit dürrem Zweig,

Das Kettlein soll dir auch werden.


Und über dem Schloß noch höher hinaus,

Sie sollen hinauf dich ziehen,

Da hast du über den Wolken ein Haus,

Gewitter unter dir ziehen.«[345]


»Und hätt es des Königs Tochter gethan,

Kein König ich würd über alle,

So gehts wer gerne freyen thät,

Und kann doch keiner gefallen.«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 344-346.
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