Ein Rundgesang von des Herrn Weingarten

[156] Handschrift im Besitze von Clemens Brentano.


Ich weiß mir einen schönen Weingarten,

Darinnen da ist gut Wesen:

Wohlauf, wir wollen drin arbeiten,

Die Weinbeer wollen wir lesen.


Wohlauf, mit mir zum Weingarten,

Dann es ist an der Zeit,

Daß wir die Weinbeer brechen,

Weil fast der Tag herscheint.


So sollen wir gern drin arbeiten,

Die Zeit, die geht dahin,

Wer sich darin versäumet hat,

Sie kömmt ihm herwieder nie.


Wer sich darin versäumet,

Wie ihm darum geschieht,

Zu ihm spricht Gott der Herre:

Geh hin, ich kenn' dich nicht.


Die Weinbeer, die sind süße,

Der Wein ist lauter klar,

Den haben die heilgen Engel

Einer Jungfrau vom Himmel herbracht.


Es war kein Mann so elend nicht,

Und auch so tief verwundt,

Geneußt der edlen Träublein er,

Fürwahr er wird gesund.[156]


So wolln wir nicht weiter fragen,

Und auch nicht mehr begehren,

Wenn uns von den edlen Weinbeeren

Ein Träublein möchte werden.


Das Weinkorn, das hochheilige,

Das kam vom Himmel herab,

Einer Jungfrau unter ihr Herze,

Die war heilig und klar.


Sie trug es unverborgen

Bis an den Weihnachttag,

Da ward der Wein geboren,

Der alle Ding vermag.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 156-157.
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