Frühlingsbeklemmung

[162] Spee Trutz Nachtigal, Cölln 1660. S. 34.


Der trübe Winter ist vorbey,

Die Kranich wiederkehren,

Nun reget sich der Vogelschrey,

Die Nester sich vermehren;

Laub allgemach

Nun schleicht an Tag,

Die Blümlein sich nun melden,

Wie Schlänglein krumm,

Gehn lächelnd um

Die Bächlein kühl in Wälden.


Der Brünnlein klar, und Quellen rein,

Viel hie, viel dort erscheinen,

All silberweiße Töchterlein

Der hohen Berg und Steinen;

In großer Meng

Sie mit Gedräng,

Wie Pfeil von Felsen zielen,[162]

Bald rauschens her,

Nicht ohn Geplerr,

Und mit den Steinlein spielen.


Die Jägerin, Diana stolz,

Auch Wald- und Wasser-Nymphen,

Nun wieder frisch im grünen Holz

Gehn spielen, scherzend schimpfen;

Die reine Sonn

Schmückt ihre Kron,

Den Köcher füllt mit Pfeilen;

Ihr beste Roß

Läßt laufen los

Auf marmorglatten Meilen.


Mit ihr die kühlen Sommerwind,

All Jüngling still von Sitten,

In Luft zu spielen seyn gesinnt,

Auf Wolken leicht beritten;

Die Bäum und Aest

Auch thun das best,

Bereichen sich mit Schatten,

Wo sich verhalt

Das Wild im Wald,

Wenns will von Hitz ermatten.


Die Meng der Vöglein hören laßt

Ihr Schir von Tire Lire,

Da sauset auch so mancher Ast,

Als ob er musicire;

Die Zweiglein schwank,

Zum Vogelsang,

Sich auf- und nieder neigen,[163]

Auch höret man

Auf grünem Plan,

Spazieren Laut und Geigen.


Wo man nur schaut, fast alle Welt

Zu Freuden sich thut rüsten,

Zum Scherzen alles ist gestellt,

Schwebt alles fast in Lüsten;

Nur ich allein

Leid süße Pein,

Unendlich werd gequälet,

Seit ich mit dir,

Und du mit mir,

O Jesu, dich vermählet.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 162-164.
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