[225] Bragur I.B.S. 358. Geistlich verändert in den Gassenhauern von Heinrich Knausten. Frankfurt 1571. S. 32.
Herzlich thut mich erfreuen,
Die fröhliche Sommer-Zeit,
All mein Geblüt erneuen,
Der May in Wollust freut,
Die Lerch thut sich erschwingen
Mit ihrem hellen Schall,
Lieblich die Vögel singen,
Dazu die Nachtigall.
Der Kukuk mit seinem Schreien,
Macht fröhlich jedermann,
Des Abends fröhlich reihen,
Die Mädlein wohlgethan,
Spazieren zu den Brunnen,
Bekränzen sie zur Zeit,
Alle Welt sich freut in Wonnen,
Mit Reisen fern und weit.
Es grünet in dem Walde,
Die Blumen blühen frey,
Die Rößlein auf dem Felde,
Von Farben mancherley,
Ein Blümlein steht im Garten,
Das heißt, Vergiß nit mein,
Das edle Kraut zu warten,
Macht guten Augenschein.[225]
Ein Kraut wächst in der Aue,
Mit Namen Wohlgemuth,
Liebt sehr die schönen Frauen,
Dazu die Holder-Blüth,
Die weiß und rothe Rosen,
Hält man in großer Acht,
Thut's Geld darum verlosen,
Schöne Kränze daraus macht.
Das Kraut, Je länger je lieber,
An manchem Ende blüht,
Bringt oft ein heimlich Fieber,
Wer sich nicht dafür hüt,
Ich hab es wohl vernommen,
Was dieses Kraut vermag,
Doch kann man dem vorkommen,
Wem lieb ist jeder Tag.
Des Morgens in dem Thaue,
Die Mädlein grasen gehn,
Gar lieblich sich anschauen,
Bey schönen Blümlein stehn,
Daraus sie Kränzlein machen
Und schenkens ihrem Schatz,
Thun freundlich ihn anlachen,
Und geben ihm ein Schmatz.
Darum lob ich den Sommer,
Dazu den Mayen gut,
Der wendet allen Kummer,
Und bringt viel Freud und Muth,
Der Zeit will ich genießen,
Dieweil ich Pfenning hab,[226]
Und den es thut verdrießen,
Der fall die Stiegen herab.
Ausgewählte Ausgaben von
Des Knaben Wunderhorn
|
Buchempfehlung
Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.
98 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro