Lied vom alten Hildebrandt

[121] Eschenburgs alte Denkmähler S. 439.


»Ich will zu Land ausreiten,«

Sprach Meister Hildebrandt,

»Wer wird die Weg mir weisen

Gen Bern wohl in das Land?

Unkund sind sie geworden

Mir manchen lieben Tag,

In zwey und dreyßig Jahren

Frau Utten ich nicht sah.«


»Willt du zu Land ausreiten,«

Sprach Herzog Amelung,

»Was begegnet dir auf der Heiden?

Ein stolzer Degen jung.

Was begegnet dir in der Marke?

Der junge Hildebrandt,

Ja rittest du selb zwölfe,

Von ihm würdst angerannt.«


»Und rennet er mich an,

In seinem Uebermuth,

Zerhau ich seinen grünen Schild,

Das thut ihm nimmer gut,

Zerhau ihm seine Bande,

Mit einem Schriemenschlag,

Daß er's ein ganzes Jahr

Der Mutter klagen mag.«


»Und das sollt du nicht thun!«

Herr Dieterich wohl spricht,[121]

»Denn dieser junge Hildebrandt

Ist mir von Herzen lieb.

Zu ihm sollst freundlich sprechen,

Wohl durch den Willen mein,

Daß er dich lasse reiten,

So lieb ich ihm mag seyn.«


Da er zum Rosengarten reit,

Wohl in der Berner Mark,

Er kam in viel Arbeit;

Von einem Helden stark,

Von einem Helden jung,

Ward er da angerannt.

»Nun sage mir, viel Alter,

Was suchst in Vaters Land?


Du führst den Harnisch eben,

Wie eines Königs Kind,

Du machst mich jungen Helden

Mit sehnden Augen blind;

Du sollst daheime bleiben,

Beym guten Hausgemach,

Bey einer heißen Glute.«

Der Alte lacht und sprach:


»Sollt ich daheime bleiben

Bey gutem Hausgemach?

Ich bin in allen Tagen

Zu reisen aufgesezt,

Zu reisen und zu fechten

Bis auf mein Heimefahrt;

Das sag ich dir, viel Junger,

Drauf grauet mir der Bart.«[122]


»Dein Bart will ich ausraufen,

Das sag ich, alter Mann,

Daß dir dein rosenfarbnes Blut

Die Wangen überläuft;

Dein Harnisch und dein grünes Schild

Mußt du mir hierauf geben,

Dazu auch mein Gefangner seyn,

Willt du behalten Leben.«


»Mein Harnisch und mein grünes Schild

Mich haben oft ernährt;

Ich traue Christ vom Himmel wohl,

Ich will mich deiner wehren!«

Sie ließen von den Worten,

Und zogen scharfe Schwerdt,

Was diese zwey begehrten,

Des wurden sie gewährt.


Ich weiß nicht, wie der Junge

Dem Alten gab ein'n Schlag,

Deß sich der alte Hildebrandt

Von Herzen sehr erschrack,

Sprang hinter sich zurücke,

Wohl etlich Klafter weit:

»Nun sag du mir, viel Junger,

Den Streich lehrt' dich ein Weib!«


»Sollt ich von Weibern lernen,

Das wäre mir ja Schand',

Ich hab viel Ritter, Grafen,

In meines Vaters Land;

Auch sind viel Ritter, Grafen,

An meines Vaters Hof,[123]

Was ich nicht lernet hab,

Das lern' ich heute noch.«


Er nahm ihn in der Mitte,

Da er am schwächsten war,

Und schwang ihn dann zurücke,

Wohl in das grüne Gras.

»Nun sage mir, viel Junger,

Dein Beichtvater will ich seyn,

Bist du ein junger Wolfinger,

Von mir sollt du genesen.


Wer sich an alte Kessel reibt,

Empfahet gerne Rahm,

Also geschiehet dir Jungen

Von mir altem Mann;

Dein Geist mußt du aufgeben,

Auf dieser Heiden grün,

Das sag ich dir gar eben,

Du junger Helde kühn.«


»Du sagst mir viel von Wölfen,

Die laufen in das Holz,

Ich bin ein edler Degen

Aus deutschem Lande stolz.

Mein Mutter heißt Frau Utte,

Die edle Herzogin,

Und Hildebrandt der Alte,

Der liebste Vater mein.«


»Heißt deine Mutter Utte,

Die edle Herzogin,

So bin ich Hildebrandt der Alte,[124]

Der liebste Vater dein!«

Aufschloß er seinen grünen Helm,

Küßt ihm auf seinen Mund,

»Nun muß es Gott gelobet seyn!

Wir sind noch beid' gesund.«


»Ach Vater, liebster Vater!

Die Wund die ich geschlagen,

Die wollt ich dreimal lieber

An meinem Haupte tragen.«

»Nun schweig, mein lieber Sohn!

Der Wunden wird wohl Rath,

Nun muß es Gott gelobet seyn,

Der uns zusammen bracht!«


Das währte nun von Neune

Bis zu der Vesperzeit,

Allda der junge Hildebrandt,

Zu Bernen einher reit.

Was führt er auf dem Helme?

Von Gold ein Kreuzelein.

Was führt er auf der Seiten?

Den liebsten Vater sein.


Er führt ihn zu der Mutter Haus,

Ihn oben an zu Tisch,

Und bot ihm Essen und Trinken,

Das däucht der Mutter fremd.

»Ach Sohne, liebster Sohne mein!

Der Ehren ist zu viel,

Du setzest den gefangnen Mann

Ja oben an den Tisch.«[125]


»Nun schweiget, liebste Mutter,

Und höret was ich sage:

Er hätt' mich auf der Heiden,

Schier gar zu tod geschlagen.

Nun hört mich, liebe Mutter!

Gefangen sollte seyn,

Herr Hildebrandt der Alte,

Der liebste Vater mein?


Ach Mutter, liebste Mutter!

Ihm biethet Zucht und Ehr.«

Da hub sie an zu schenken,

Und trugs ihm selber her.

Er trank, und hatt' im Munde,

Von Gold ein Ringelein,

Das fiel da in den Becher

Der lieben Frauen sein.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 121-126.
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