Tell und sein Kind

[15] Abgeschrieben vom Giebel eines Hauses in Arth in der Schweiz, durch Arnim, s. Französische Miszellen III. B.S. 82.


Tell.


Zu Ury bey den Linden

Der Vogt steckt auf den Huth,

Und sprach: Ich will den finden,

Der dem kein Ehr anthut.

Ich that nicht Ehr dem Huthe,

Ich sah ihn kühnlich an,

Er sagt: Du traust dem Muthe,

Will sehn, ob du ein Mann! –

Er faßt den Anschlag eitel,

Daß ich nun schieß geschwind[15]

Den Apfel von dem Scheitel

Meinem allerliebsten Kind.


Kind.


Ach Vater, was hab' ich gethan,

Daß du mich also bindest an?


Tell.


Mein Kind schweig still, mein Herz schonst groß,

Ich hoff, es soll mein Pfeilgeschoß

Kein Schaden dir bereiten,

Du trägst kein Schuld und ich kein Sünd,

Ruf nur zu Gott mit mir mein Kind,

Gott wird den Pfeil schon leiten.

Halt auf dein Haupt, richt dich nur auf,

In Gottes Namen schieß ich drauf,

Der gerechte Gott soll leben!


Kind.


Ach Vater mein, Gott mit uns hält,

Der Apfel von dem Scheitel fällt,

Gott hat den Segen geben.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 15-16.
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