Das Lied vom Landgrafen

[113] Lebensbeschreibung Sebastian Schärtlins. Frankfurt, 1777. Beylagen S. 34.


Zu singen will ich fangen an,

Zum Lob der Kayserlichen Kron,

Dem Landgrafen zu Leide,

Wie es ihm dann ergangen ist

Vor Ingolstadt, in kurzer Frist,

Das machte uns viel Freude.


An einem schönen Morgen fruh,

Der Landgraf rückte schnell herzu,

Sein Lager thät er schlagen

In weitem Feld vor Ingolstadt,

Er meint der Römisch Kaiser drat

Würd ihn von Stund an fliehen.


Zu morgen hub er zu schiessen an

Wol über die Kaiserlichen Kron,

Mit Kartaunen und Schlangen,

Das trieb er wohl drey ganze Tag,

Die weil er dann vor Ingolstadt lag,

Der Schimpf der wolt sich machen.[113]


So will ich auch nicht grausen schon!

Da sprach die Kaiserliche Kron,

Meins Unglücks muß ich lachen;

Schieß her, schieß her, lieber Landgraf,

Mein Glück das steht in Gotteskraft,

Erst wolln wir tapfer fechten.


Der Kaiser die ganze Schanz ausreit,

Der Büchsen-Meister in kurzer Zeit

Thät da gar tapfer schiessen,

Wol unter die Landgräfischen Reiter gut,

Sie schossen hinaus mit frischem Muth,

Es thät sie sehr verdriessen.


»O Ingolstadt du gemauert Hauß,

Das hätt ich dir doch nit vertraut,

Das du zu mir hätst geschossen.«

So sprach der Landgraff zum Schertel gut,

»Die Stadt ist uns nit wolgemut,

Wir wollen nicht darauf bauen.«


Der Landgraf warf die Augen auf,

Aus mancher Büchse gieng der Rauch,

Ich hör das man thut schiessen;

Da sprach der Landgraf zum Schertel gewandt:

»Wir verschiessen Leut, Ehr und Land,

Nit länger wölln wir harren.«


Der Kaiser sprach die Deutschen an,

Verhieß ihn auch bey seiner Kron,

Von hier wollt er nit weichen,

Dieweil ihm Gott das Leben leiht,

Glück, Ehr und Sieg in Ewigkeit,

Christus von Himmelreichen.[114]


Der Schertel sprach die Reisigen an:

»Wendt euch ihr lieben Reitersmann,

Weicht ab von diesem Schiessen,

Sonst werden wir auf diesen Tag,

Dieweil kein Widerstand helfen mag,

Viel Reisigen Zeug verlieren.«


Der Landgraf und Schertel wurden zu Rath,

Und wie sie thäten dieser That,

Der Kaiser hat sich verhauen,

Fallen wir in sein Lager stark,

Die Reisigen die sind so arg,

Ist ihn nit wol zu vertrauen.


Der Landgraf hat sehr lang geflucht,

Sich am Römischen Kaiser versucht,

Ich mein er hab ihn funden,

Ich sag dir lieber Landgraf gut,

Uebermuth der thut kein Gut,

Der Kaiser ist kein Kindlein.


Dem Landgrafen kamen neue Mehr,

Wie daß das Heer von Pirn kummen wär

Anstatt des Kaisers Schwester,

Da sprach der Landgraf zum Schertel gut:

Das ist uns nit wol zu mut,

Es sind uns fremde Gäste.


Der Landgraf der ließ zünden an

All Lager, ruckt im Rauch davon,

Der Rauch ist weit geflogen:

»O Ingolstadt, ich muß dich lan,

Hät ich die Sach recht griffen an,

Der Teufel hat mich betrogen.«[115]


Der Landgraf nahm die Wacht in Hut,

Dieweil er macht ein Schiffbruck gut,

Darüber eilt er balde,

Er eilt dahin auf Neuburg zu,

Da selbst, da war nit lang sein Ruh,

Der Kaiser thät ihn suchen.


Noch hät er weder Rast noch Ruh,

Auf Donauwerd da ruckt er zu,

Woll inn sein alte Schanze,

Daselbst, da wollt er warten sein

Des Kaisers bei dem kühlen Wein,

Sich halten auf Finanze.


Kein Lanzknecht weiß zu dieser Frist,

Wo der Landgraf hinkummen ist,

Der Kaiser hat ihn vertrieben,

Ich sag dir lieber Landgraf mein,

Dein Kriegen hätst wol lassen sein

Daheim wärst du wohl blieben.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 113-116.
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