3. Der gehangene Pferdedieb

[307] Der edle Thedel Unverfehrt

Nach Braunschweig eilt auf seinem Pferd,

Zu Herzog Heinrichs Ehgemahl[307]

Und ihren Kindern sprach im Saal:

»Der Herzog wünscht euch so viel gute Nacht

Als manch roth Mündlein in dem Jahre lacht,

So viel als grüne Grasstiel sind,

Die man am Weg zum Grabe findt,

Von wo er diese Briefe sandt,

Die übergiebt euch meine Hand.«

Die Fürstin küßt die Brief fürwahr,

Mit Weinen, Seufzen spricht sie dar:

»Gott lohn es dir, mein edler Herr,

Ich glaubt ihn todt und weinte sehr,

Aus seinen Schreiben ich befind,

Wohl wie sie zupetschieret sind,

Du sollst hier trinken und auch essen

Nach Nothdurft, bis wir sie gelesen.«

Die Fürstin war sehr guter Ding,

Ließ bringen einen goldnen Ring,

Auch einen Kranz von Golde gut,

Der saß auf einem neuen Huth,

Sie wurd gereitzt zur Fröhlichkeit,

Daß sie ihm gab ein neues Kleid,

All das dem Thedel zum Geschenk,

Daß er ihr Gnaden bey gedenk.

Dann sagt sie ihm: »Ein gutes Pferd

Müßt ihr wohl haben Unverfehrt,

Daß ihr in zweyen Tagen hier?« –

»Dafür gebt Gott die Ehr, nicht mir!«

Die Fürstin gab ihm ihre Hand,

Eh dann sie ihn von dannen sandt,

Der Thedel in die Herberg ging,

Zu sagen also gleich anfing:

»Ihr Knechte, daß wir reiten, trachtet,

Herr Wirth genau die Rechnung machet.«[308]

Der Wirth sprach: »Zieht in Gottes Geleit,

Die Fürstin hat bezahlet heut.«

Da nahm er gütlich sein Abschied

Zum Graf von Schladen er hinritt,

Doch fand er ihn nicht gleich zu Haus,

Er mußte vor das Thor hinaus,

Gericht ward da gesprochen,

Der Stab war schon gebrochen.

»Der Pferdedieb ist schon gehangen,

Laßt euch um euer schön Pferd nicht bangen.«

Der Graf ihn führt zu seinem Schloß,

Und freut sich übers schwarze Roß.

»Das schwarze Roß, Herr Thedel spricht,

Das fürcht selbst höllsches Feuer nicht.

Es ist wie ich, ich mach kein Kreutz

Wie auch der Teufel mir einheitz.«

Das thät den Teufel sehr verdrießen,

Er meint, das soll der Thedel büßen,

Und als es auf den Abend kam,

Der Bös den Dieb vom Galgen nahm,

Und setzt ihn auf die Heimlichkeit,

Der Teufel war voll Fröhlichkeit,

Und hat in seinem Sinn gedacht,

Wie er ihn schon zu Fall gebracht,

Daß Thedel dann ein Kreutz würd machen,

Säh er also den Ort bewachen,

Denn Thedel hat verlobt fürwahr,

Daß er in größter Todesgefahr

Kein Kreutz vorm Teufel machen wollt,

Denn Gottes Wort ihm alles golt.

Da es nun in die Nacht nein kam,

Vom Grafen Thedel Abschied nahm;

Es wurden Licht gestecket an,[309]

In die Latern, daß er hinan

Von Dienern würd zu Bett gebracht.

Er schickt sie fort mit: »Gute Nacht!«

Begehrt dann auf die Heimlichkeit,

Und macht sich auch dazu bereit.

Der Held war kühn und unverzagt,

Er fand da, was ihm bas behagt

Den todten und gehangnen Dieb,

Dasselbe war ihm gar sehr lieb,

Nahm ihn beym Kopf und bey den Haaren,

Und sagt: Dich will ich wohl bewahren!

Und setzt ihn von dem Hohlaltar,

Daß sein ein andrer würd gewahr.

Der Schreiber kam da hergeschlichen,

Wollt seine Sachen auch ausrichten.

Als der erblickt den todten Dieb,

So wars ihm ganz und gar nicht lieb,

Fing auch gar sehr zu rufen an,

Konnt gar nicht laufen mehr der Mann,

Wär auch gestorben zu der Zeit,

Doch Thedel half ihm aus dem Leid.

Herr Thedel Morgens früh aufstund

Und thäts dem Graf von Schladen kund.

Als er die Morgensuppe aß

Und seinen Aerger ganz vergaß.

Darauf der Graf gar selbst hinging,

Um anzusehn das seltsam Ding.

Hat auch dem Schloßvogt anbefohlen,

Den Henker gleich zur Stell zu holen:

»Er hat sein Geld gekriegt dafür,

Und muß nun thun auch sein Gebühr.«

Alsdann zum Unverfehrden spricht:

»Die Nacht hast du geschlafen nicht,[310]

Ich hätt nicht bleiben können die Nacht,

Ich hätte mich gleich fort gemacht.«

Der Unverfehrt also darnach:

»Ich war sehr müd und blieb nicht wach,

Gott lebt, ich fürcht den Teufel nicht.

Der Dieb war todt und gar nicht spricht,

Ich habe meine Seel und Leben

Gott einzig in die Händ gegeben.«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 307-311.
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