Graf Friedrich

[293] Mitgetheilt von H. von Wessenberg.


(In einer Abschrift dieses Liedes, das uns in mehreren Dialekten doch nie so vollständig wie hier zugekommen, wirft der Sohn der Mutter nachher vor: Ach Mutter, du must mein Ehr nicht abschneiden, du hast mirs fürwahr schon dreymal so gemacht, wann ich aufs Weiben ausgeh. Auch ersticht er sich darin selbst.)


Grof Friederich wötti1 wibe,

Si Mutterli wär nit z'friede.

Thut ihm de Dege fege

Mit lauter Gift und Schwebel.

Graf Friederich wött usrite

Mit vielen Edellüte,

Wött hole sei liebi Braut

Wonihm zur Eh' wär vertraut. –

Er wurd gedrungen e' böse Weg.[293]

Do schießt us der Scheid si' glänzig Schwerdt,

Siner liebe Braut in rechte Fuß.

»Izt weiß ih daß sie sterbe muß!« –

Bald zug er aus si Hemdli weiß

Er drukt es in die Wunde mit Fleiß.

Das Hemdli war vom Blut so roth

Als ob mes drinn gewasche hätt.

Und doner in de' Hof nei ritt

Si Mutter ihm entgege schritt; –

»Bis mir Gottwillche Sohn dahai!

Mit deinem bleiche Bräuteley! –

Wie ist doch deine Braut so bleicht

Als ob siene Kindli hätt gesäugt,

Wie sieht sie nit so höniglich

Als ob sie gar scho schwanger ist.«

»Nu stille mi Mutterli stille! –

Sie red't's nit us Uwille! –

Sie ist Kindshalbe nit ugsund,

Sie ist bis auf de Tod verwundt.« –

Sie führet die Braut zum Tisch,

Bringet ihr viel Brät und Fisch,

Sie schenket ihr i vom beste Wi,

Das Bräutli möcht nit lustig sy;

Möcht weder trinke noch esse,

Ihres Unmuths nit vergesse.

Sie sprach, sie wöll's zuner andern Zeit.

Als ihrene Bettli wär bereit.

Sie führet die Braut zu Bettli,

Vor Unmuth sie nit redti.

Mit Lichter und mit Leuchter

Mit lauter Edelleute.

Sie führet die Braut ge schlofe

Mit Reuter und mit Grofe;[294]

Mit brennede Kirze und Fakle gut,

Die Braut ist krank, ist übel zu muth.

»Gemahli lieb Gemahli und Schatz,

Ih bitt eu um en einziges Gsatz,

Hab ih eu tödtli verwunde könnt,

Verzeihet mer das vor eurem End!«

»Gemahl, lieber Gemahl und Herr!

Bekümmeret eu do nit so sehr,

Es ist eu alles verziehe scho,

Nix Arges habet ihr mir getho.

Gemahl lieber Gemahl lond mi

Heut Nächte none Jungfrau sy.

Und diese Nacht alleini

Und fürderhi me keini! –

So lang mir Gott wills Lebe lo',

Für dos bin ih eu untertho. –«

– – – – – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – – – – –2

Sie kehrt si' gegen d' Wände,

Izt fallt sie schon ins Ende.

In Gott hätt sie ihrs Lebe frey.

Ist bliebe au e Jungfrau rei'.

Und wurd am Morge begrabe.

Ihr Vater wött sie begabe,

Hätt gmeint er käm zu einer Hochzeit

Izt kommt er zu einer Todenleich.

Der Vater erfraget alli Umständ,

Wie sie hai gnommen e seligs End.

Grof Friedrich sprach: »Ih armer Ma,[295]

Vor Gott ist Klage, bi schuldig dara!«

Der Vater sprach in wilder Wuth:

»Hast du verursacht ihr unschuldigs Blut,

So mußt du au darum aufgebe

Durch mei Hand dei jugendlich Lebe.«

Er zog wohl us sei glänziges Schwerdt

Und stichts dem adeliche Grofe durs Herz,

Mit grosser Gwalt dur seinen Leib,

Bis daß er tod auf der Erde leit.

Sie vergrabet d Braut uf das veste Schloß,

Grof Friedrich in e tiefes Moos.

Dahin man seinen Leib vergrub,

Allda es kürzlich zu blühen erhub.

Und dones wär am dritte Tag

So wachset drey Lilie uf sim Grab.

Darinne stund geschriebe,

Bey Gott sey er gebliebe.

Sie nemmet Grof Friedrich us dem Moos,

Sie führet ihn uf sei vestes Schloß,

Zu seiner Braut man ihn vergrub,

Und kürzlich zu blühe das erhub,

Er ist de dritte Tag scho todt,

Er blühet wie'ne Rose roth,

Ein grosses Wunder au geschah,

Das menger Mensch glaubhaftig sah.

Mit weissen Armen er sie umfieng,

Ein Red' us seinem Munde gieng:

»Ih danke eu ihr liebe Leut,

Daß ihr mi zu meim Schaz geleit;

Weil ih by meiner Buhle by

Fahr ih us dieser Welt dahi,

Mit leichter und mit ringer Gemüth

Laß ih dahinde mein uschuldig Geblüt,[296]

Ih fahr us dieser Welt dahi

Us aller Noth erlediget bi.« –

1

wollte.

2

Die Sängerin, ein 76 jähriges Bauernweib, wußte sich hier einiger Reimpaare nicht zu erinnern.

Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 293-297.
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