[420] Poetisches Lustgärtlein. Gedruckt 1645. S. 21.
Wer fragt danach,
Aus dem Gelag,
Hab ich mir vorgenommen,
Den ganzen Tag,
So lang ich mag,
Auch morgen nicht zu kommen.
Herr Wirth, gebt Ihr
Die Freyheit mir,
Mich lustig zu erzeigen,
So seht nur an,
Wie wohl ich kann
Die frischen Gläser neigen.
Dies ist der Trank,
Der Unmuth zwang,
Durch den wir lustig werden,
Der unsern Geist
Der Pein entreißt,
Giebt freudige Geberden.
Er thut uns kund
Des Herzens Grund,
Macht Bettler gar zu Fürsten,
Wir werden kühn
Und frisch durch ihn,
Daß uns nach Blut muß dürsten.
Sein süßer Saft
Giebt denen Kraft[420]
Zu reden, die sonst schweigen,
Macht uns bereit,
Barmherzigkeit
Den Armen zu erzeigen,
Wie auch beherzt,
Das was uns schmerzt
Zu eifern und zu lästern,
Ertheilt die Kunst
Und alle Gunst
Der dreymal dreyen Schwestern.
Daher man sieht,
Wenn wir hiemit
Die Nase schon begossen,
Wie dann der Fluß
Des Pegasus
Kommt auf uns zugeschossen,
Der will dann ein
Poete seyn,
Der kann viel Streitens machen
Von der Natur,
Der redet nur
Von Gottes hohen Sachen.
Dort hat ein Paar
Sich bey dem Haar,
Der greift nach seinem Degen,
Der steht und speit,
Der jauchzt und schreit
Und kann sich kaum noch regen.
Der säuft dem zu
Auf einen Du,
Der schwatzt von seinen Kriegen,[421]
Der sitzt und weist
Wo er gereist,
Und scheut sich nicht zu lügen.
Auch mir wird izt
Der Kopf erhitzt,
O Wein, von deinen Gaben,
Die Zunge singt
Die Seele springt,
Die Füsse wollen traben,
Wohlan noch baß
Durch dieses Glas
Will ich auf dich jezt zielen.
Du deutsches Blut
Laß mir ein gut
Rundadinella spielen.
Ausgewählte Ausgaben von
Des Knaben Wunderhorn
|
Buchempfehlung
Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
146 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro