Trinklied

[427] (1500-1550.)


Man sagt wohl in dem Mayen,

Da sind die Brünnlein gesund,

Ich glaubs nicht meiner Treuen,

Es schwenkt eim nur den Mund,

Und thut im Magen schweben,

Drum will mirs auch nicht ein,

Ich lob die edlen Reben,

Die bringen uns gut Wein.


Wo Heu wächst auf der Matten,

Dem frag ich gar nichts nach,

Es hab Sonn oder Schatten,

Ist mir geringe Sach.[427]

Gut Heu, das wächst an Reben,

Dasselbig wolln wir han,

Gut Streu thut es auch geben,

Das weiß wohl Weib und Mann.


Und wer es nicht kann kauen,

Der geh auch nicht zum Wein,

Doch seh ich an dem Hauen

Daß wir gut Mäher sein:

Wir rechens mit den Zähnen,

Und worflens mit dem Glas,

Der Magen muß sich dehnen,

Daß ers in Scheuer laß.


Wir han gar kleine Sorgen

Wohl um das römisch Reich,

Es sterb heut oder morgen,

Das gilt uns alles gleich;

Und gieng es auch in Stücke,

Wenn nur das Heu geräth,

Daraus drehn wir ein Stricke

Der es zusammen näht.


Die Specksupp ist gerathen,

Den Schlaftrunk bringt uns her,

Ist noch ein Weck am Laden,

Er ist nit sicher mehr,

Ein Kaiser steckt zum Spiese,

Ein Künglein in Pastet,

Arm Ritter macht recht süße,

Bis daß der Hahn gekräht.


Das Liedlein will sich enden,

Wo ist daheime nu?[428]

Tapt hin nur an den Wänden,

Und legt das Heu zur Ruh,

Der Wagen schwankt hereine,

Sie han geladen schwer,

Er bräch, wenn nicht am Rheine

Der Strick gewachsen wär.


Ich bind mein Schwerdt zur Seiten,

Und mach mich bald davon,

Hab ich dann nit zu reiten,

Zu Fuße muß ich gon,

Ich taumle als ein Gänselein,

Das ziehet auf die Wacht,

Das thut das Heu und auch der Wein,

Ade zur guten Nacht.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 427-429.
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