Den Dritten thu ich nicht nennen

[59] Mündlich.


Mein Bübli isch e Stricker,

Er strickt e manche Nacht,

Er strickt an einer Haube,[59]

Haube, Haube,

Sisch noch nit ausgemacht.


Von Seiden isch die Haube,

Von Sammet isch die Schnur,

Bisch du ein wackres Mädle,

Mädle, Mädle,

Bind du dein Härle zu.


Ach nein, will sie nit binden,

Wills noch mehr fliegen lahn,

Bis ander Jahr im Sommer,

Sommer, Sommer,

Will zu dem Tanze gahn.


Mit Freuden zu dem Tanze,

Mit Trauren wieder heim,

So geht es jedem Mädle,

Mädle, Mädle,

Und nit nur mir allein.


Dort droben auf jenem Berge,

Da steht ein schönes Haus,

Da schauen alle Morgen,

Morgen, Morgen,

Drey schöne Herren raus.


Der Erst der ist mein Bruder,

Der Zweite geht mich an,

Den Dritten thu ich nicht nennen,

Nennen, nennen,

Der ist euch wohl bekannt.[60]


Und unten an dem Berge,

Da geht ein rothe Kuh.

Wenn sie die Magd thut melken,

Melken, melken,

Schaun ihr die Herren zu.


Sie thät die Milch verschütten,

Mit Wasser füllt sie zu:

Ach Mutter, liebe Mutter,

Mutter, Mutter,

Die Milch giebt unser Kuh.


Wir wollen die Kuh verkaufen,

So kommt der Gstank vom Haus;

So können hübsch die Herren,

Herren, Herren,

Spazieren um unser Haus.


Und drüben an dem Berge,

Da stehn zwey Bäumelein,

Das eine trägt Muskate,

Muskate, Muskate,

Das zweyt braun Nägelein.


Muskatennuß sind süße,

Braun Näglein die sind räß (scharf),

Die geb ich meinem Liebchen,

Liebchen, Liebchen,

Daß es mich nicht vergeß.


Hab deiner nie vergessen,

Hab alle Zeit an dich gedenkt;

Du liegst mir stets am Herzen,[61]

Herzen, Herzen,

Wie d' Ros' am Stiele hängt.


Dort unten auf der Wiese,

Da geht ein Mühlenrad,

Das mahlet nichts als Liebe,

Liebe, Liebe,

Vom Abend bis zum Tag.


Das Mühlenrad isch brochen,

Die Lieb hat noch kein End;

Und wann zwey Liebchen scheiden,

Scheiden, scheiden,

So geben sie sich die Händ.


Ach Scheiden über Scheiden,

Isch gar ein bittres Kraut;

Wann ich wüßte, wo es wüchse,

Wüchse, wüchse,

Wollt graben Wurzel raus.


Grab raus, grab raus mit Freuden,

Und nimm sie mit dir heim;

Leg sie in dein Schlafkämmerlein,

Schlafkämmerlein,

So hast du Würzelein.[62]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 3, Stuttgart u.a. 1979, S. 59-63.
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