Sechzehntes Kapitel

Schluß von Lorenzos und Rosaliens Hochzeit

[155] Zum Glück für die beiden Priester begann der große Kranztanz, der die vornehmere Gesellschaft wieder mit in die Schranken des Tanzbodens rief; der Graf behielt mit Erlaubnis der Fräulein die Briefe: wir werden ihrer nicht vergessen. Der Tanz begann mit aller seiner Fackelnpracht. Die Braut mußte mit allen Männern, der Bräutigam mit allen Frauen in der Runde tanzen, bis sie beide zusammentrafen und mit einander verschwanden. Der Graf hatte für diesen Augenblick einen neuen Gesang veranstaltet, in welchem die Gräfin die Braut spielte, die beiden andern Stimmen aber von den eingeübten Dorfknaben gesungen wurden.


Die Braut


Viel schwächer ich mich fühle,

Da mir so nah die Freud,

Als da ich fern dem Ziele

In Leid und Bitterkeit;

Nacht der Nächte, süß und bittre Zeiten,

Bald wird seinen Arm der Liebste um mich breiten.

Die Jungfrau vergehet,

Die Frau dann erstehet.

Der Name des Herrn sei gelobt!


Der Myrtenkranz so lose

Mir schon im Haare spielt,

O Liebesbecher, Rose,

Wie mich dein Duft hier kühlt;[155]

Lieb ist stärker, als der Tod erfunden,

Wie ein Lamm zum Opfer bin ich bunden.

Mein Hemdlein spielt im Winde,

Er ruft mir: Kind, geschwinde;

Der Name des Herrn sei gelobt!


Viel schwächer ich mich fühle,

Da mir so nah die Lust,

Als da ich fern dem Ziele

Ans Sterben denken mußt:

Nackt bin ich in diese Welt gekommen,

Nackt werd ich auch wieder aufgenommen.

Der Herr hat's gegeben,

Der Herr hat's genommen,

Der Name des Herrn sei gelobt! Amen.


Alle Gäste


Ein Engel wird dir decken

Die blauen Äugelein,

Ein Engel überstrecken

Sich um die Ohren dein,

Niemand, keiner wird dich mehr erblicken,

Löscht die Lichter; Finden ist der Lieb Beglücken!

Der Geist ist gegeben,

Er mehret das Leben,

Der Wille des Herrn soll geschehn.


Chor der Schlechten, die links fortgehen


Ich kann sie nicht mehr stören,

So wird es dennoch wahr,

Dort gehn die Brunnenröhren

Im hellen Mondschein klar;

Ich muß gehen von der reichen Quelle

Trocknen Mundes, Wermut an der Stelle,

Wie ist mir so wüste

Vom wilden Gelüste,

Sie denket wohl nicht, was in mir tobt.


Enteilt ihr Flitterwochen,

Ist erste Lieb vorbei,

Will ich ans Türlein pochen,

Dann bin ich frech und frei;[156]

Liebeszauber ist dann schon verschwunden,

Und sie fühlt vom Ehring sich gebunden;

Der Mann wird dann schelten,

Da werd ich was gelten

Im Namen des Teufels es geht.


Die Frommen, die rechts fortgehen


Ich liebte sie so stille,

Wie Gott die Welt geliebt,

Doch es war nicht sein Wille,

Daß sie mich wieder liebt;

Ewig bleib ich dennoch ihr so eigen;

Gott, dir soll's mein einsam Leben zeigen;

Er muß es wohl wissen,

Was besser wir missen,

Er wußte allein, wie sie mir lieb.


Wie Gold ins Meer versenket,

Wird in Verschwiegenheit

Die Liebe abgelenket

Von ihrem trüben Leid;

Meine Liebe muß sie nimmer wissen,

Daß sie nimmermehr mich kann vermissen,

Ihr Los ist geworfen,

Und ich bin verworfen.

Sie liebt ihn; mein Unglück trag ich fern.


Bald bet ich in der Klause

In der Waldeinsamkeit;

Herr schenke ihrem Hause,

Ach all die Seligkeit,

Die ich hoffend hatte mir ersonnen;

Sei mein Beten ganz für sie gewonnen.

Die Menschen, sie denken,

Und Gott wird sie lenken.

Der Name des Herrn sei gelobt!


Der Gesang war kaum geendigt, so begannen die beiden Geistlichen einige Späße über einzelne Verse des Gesanges, den sie für einen Scherz des Grafen hielten und keinesweges für seinen besten Ernst, wie es doch wirklich war. Die Gräfin nahm das etwas übel,[157] da sie selbst dabei tätig gewesen, sie sagte dem Grafen leise, so ungesittete Leute wären doch wert vom Hofe hinunter geworfen zu werden, da sie überdies gar nicht eingeladen wären. Der Graf hatte einen ähnlichen Entschluß in sich verbissen, und es bedurfte nur dieses Anstoßes zum Hervorbrechen seiner Hitze; ohne weitere Erklärung nahm er die beiden Geistlichen beim Kragen, und schleppte sie mit großer Heftigkeit durch die Menschenmenge, die es für einen neuen Tanz hielt, in den Hof, und ließ die Verwunderten dort mit der Weisung stehen, nicht eher wieder seine Schwelle zu betreten, bis Geschäfte ihre Gegenwart notwendig machten. Nach dieser Anwendung seines Hausrechts war er plötzlich ganz abgekühlt; die beiden Menschen taten ihm leid, sie hatten es nicht schlimm gemeint, und er war durch diesen unbesonnenen Entschluß vielleicht für immer ihrer nachbarlichen Gesellschaft beraubt. Als die Gesellschaft sich entfernt hatte, fand ihn Dolores, wie er in großem Ärger das Hochzeitgedicht zerriß und zertrat. »Um ein paar einfältige Verse«, rief er, »habe ich einen Zusammenhang mit der Geistlichkeit gestört, der mir zur Bildung meiner Leute so wesentlich; sieh, liebe Frau, es ist das schönste Geschäft der Frauen, eine törichte Leidenschaft zu bändigen und zu beschränken, künftig gieße kein Öl ins Feuer!« – Sie nahm diese Ermahnung mit einiger Empfindlichkeit auf, weil sie zum Sprechen allzu ermüdet war; sie war schon eingeschlafen, als ihr der Graf eine gute Nacht bot, und der Tag endete ihm weniger heiter, als dessen Aufgang erwarten ließ. – Ist es nicht eben so im großen Leben der Natur, in der Witterung; wie könnte unser kleineres Leben sich davon los opfern und frei beten; doch wünschten wir, daß eine glückliche Ehe dies vermöchte, und wenn dies unmöglich, daß sie wenigstens in ihrer Dauer und Festigkeit und übrigen Glückseligkeit dadurch nicht gestört werden könnte. Wir sagen mit Waller, den wir bald näher kennen lernen, zum Schlusse dieses Hochzeittages:


Eine glückliche Ehe vergleich ich dem Pendel der Uhren,

Der aus verschiednem Metall schön im Verhältnis gefügt,

Wenn es im Innern auch spannt im ewigen Wechsel der Wärme,

Nimmer von außen es zeigt, nimmer verwirret die Uhr;

Blinkend erscheint er im Anfang und rostig gedunkelt im Alter,

Doch sein Innres vereint gleiche Vertraulichkeit stets.[158]


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Romane und Erzählungen. Bde. 1–3, Band 1, München 1962–1965, S. 155-159.
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