Dreizehntes Bild

[706] Nun begann ein bürgerlicher Krieg um den befleckten Thron. Jedes der Grafenhäuser machte Ansprüche auf den Thron, ohne es laut werden zu lassen, es äußerte sich aber darin, daß sie jeden stürzten, der die Absicht zeigte zu herrschen. So dauerte es wohl vierzehn Jahre, daß der königliche Palast von keinem aus Scheu der andern bezogen wurde, als die Hunnen, unter Attila bis Schwaben eindrangen. Gleich suchten einige der Grafen durch Attila zur Herrschaft zu gelangen, aber er benutzte sie nur, um alle gegenseitig durch einander aufzureiben. So kam er unter dem Zujauchzen derer, die immer noch Lohn von ihm erwarteten, von ihren Leuten gezogen, in die Hauptstadt, in den Schloßhof. Eins seiner ersten Geschäfte war, den alten, ehrwürdigen Palast teils aus Neugierde[706] und Habsucht, teils aus Vorsicht und der Befestigung wegen in Augenschein zu nehmen. Die Beute war gering, die Raubsucht hatte ihm wenig Kostbarkeiten gelassen, aber endlich fand er in einem Zimmer, das mit Epheu grün berankt war, weil die Luft frei durch die offenen Fenster strich, einen starren, alten Mann, der auf eine geschriebene Rolle blickte und den einer der Begleiter, als den alten Sänger, den Vater der ermordeten Königin erkannte von dem niemand seit ihrer Abreise etwas erfahren hatte, denn in der Bestürzung jener Zeit war niemand in dies abgelegene Zimmer eingedrungen. Der Attila meinte, es sei ein alter Zauberer, der immer noch lebe, die andern dachten auch, er läge nur noch immer in der Verzückung, so wenig hatte der Tod ihm anhaben können. Nun wollte Attila wissen, was in der Schrift, die vor ihm lag, woran er zuletzt geschrieben, stehe und befahl einen der Eingebornen, weil er der Schrift unkundig, dies Blatt ihm vorzulesen. Ein Geistlicher las aber folgende Worte zu einem im Heldenspiel beschriebenen Triumphzuge:


Wer lebendig blieb, schreit Sieg aus, doch die Toten schweigen still,

Triumphierend zieht der Feldherr auf den blutbefleckten Thron

Und die Narrn, die ziehn den Karrn ihm, und er lacht der Narren schon;

Denn er sinnt schon im Triumphzug, wo er die verbrauchen will,

Die mit ihm zerstört den Weltteil, und beim Raub nun möchten ruhn.

Seht, er treibt sie frisch zum Krieg fort, treibt sie schlau zum Todesnetz,

Denn er erbt auch ihre Diebsbeut, erst ihr Tod ist ihm der Sieg!

Dann erst feiert Friedens Heimkehr, wenn er einsam kehrt zurück

Und von jedem tapfern Mordknecht trägt die Schuld und das Geschick,

Daß an einem Haupt übt Strafrecht, Gott vom ungerechten Krieg,

Daß bei einem Namen Eis läuft über uns in Lust verwirrt,

Daß in dieser Qual die Richtscheit jeder Kraft, die sich verirrt.


Als Attila diese prophetischen Worte vernommen hatte, glaubte er, sie seien ihm zum Trotze geschrieben und gelesen, und spaltete zuerst das Haupt des Geistlichen, der sie gelesen, wobei zum Schrecken aller, der Körper des Alten von der Erschütterung in einen kleinen Aschenhaufen zusammenstürzte. Er und seine treue Geliebte waren längst der Erde entschwunden. Das Bild zeigt,[707] wie Attila das Schwert zweifelnd erhebt, welchen von beiden er zuerst erschlagen möchte.

Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Romane und Erzählungen. Bde. 1–3, Band 1, München 1962–1965, S. 706-708.
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