Einige Stückle vom Nestelschwaben, woraus hervorzugehen scheint, daß er kein Schwab gewesen.

[159] Es geht die Sage, daß einmal ein Schwab gebeichtet habe; und nachdem er einige Sünden bekannt, habe er[159] plötzlich inne gehalten. Auf die Frage des Beichtvaters, ob ihm noch etwas auf dem Herzen liege, habe der Schwab gesagt: Ja, Eins drücke ihn noch, aber er schäme sich, es zu sagen. Der Beichtvater: Er solle nur frei von der Brust weg reden. Hierauf der Schwab: Ich bekenne, daß ich – – ein Schwab bin. Darob habe ihn der Beichtvater getröstet und gesagt: Nun, eine Sünde ist's eben nicht, aber schön ist es freilich auch nicht. – Ist's nicht ein anderer Schwab gewesen, der also gebeichtet, so ist's sicherlich der Nestelschwab gewesen. Denn der war wirklich sünddumm, wie ein Schaf; aber auch – zu seinen Ehren sei's gesagt – eben so geduldig und von gutmüthiger Art. Darum hatten auch die Andern ihre Fuhr mit ihm, und er mochte es auch wohl leiden. – Einstmals sollte er mit dem Gelbfüßler wettlaufen. Das konnte er nicht. Da sagte er: Ich glaub es wol, daß ich dir nicht nachkomme; du hast Stiefele an, mit denen langt man weiter, als mit den Schuhen. – Ein andermal fragte ihn der Spiegelschwab: Wenn er den Hut gäbisch aufsetze, was dann das Vordertheil, und was das Hintertheil wäre? Das konnte er nicht herausbringen, obwol er den Hut hin und her rückte auf dem Kopf, und ihn von vorn und hinten besah. – Wieder ein andermal fragten sie ihn, wie sein Name sei. Er antwortete: Meine Mutter hat gesagt, ich heiße wie mein Vater. Wie aber denn sein Vater geheißen? Antwort: Wie ich, hat meine Mutter gesagt. Man fragte weiter: Wie sie miteinander geheißen? Da bedachte er sich, und sagte endlich: Einer wie der Andere. – Die Zigeunerin mochte ihn wol gekannt haben, als sie sagte: Den Esel kennt man an den Ohren; und sie hat gewußt, daß Ratzen auf seinen Hirnkasten gekommen. Aber was er für ein Landsmann gewesen, das hat sie doch nicht errathen, sonst hätte sie's gewiß gesagt, und wir wüßten nun auch, was wir nicht wissen.

Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 159-160.
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