Wie der Spiegelschwab die wahrhaftige Geschichte von der schwäbischen Hasenjagd erzählt.

[154] Unter Anderm kam denn auch die Rede auf die schwäbische Hasenjagd, von der die Mähr bis über das Meer gedrungen war. »Man erzählt sich dies und jenes davon,«[154] sagte der Wirth, »und wenn er's offen bekennen wolle, eben nichts, was den Schwaben sonderlich zur Ehre gereiche.« »Das könne und wolle er ihm treulich berichten in Wahrheit,« sagte der Spiegelschwab; »denn er und sein Geselle seien eben selbst dabei gewesen. Wißt also,« fuhr er fort, »daß der Teufel sich vorgenommen hat, zum Spaß, die Menschen in Furcht zu jagen, und ihren Muth auf die Probe zu stellen. Und er nahm die Gestalt eines Hasen an; versteht, eines Unthiers in Hasengestalt, und er war so groß und fürchterlich, daß es nicht zu sagen ist. Erstlich ließ er sich in Wälschland sehen, wo er ohnehin oft Geschäfte hat. Die Wälschen aber nahmen Reißaus nach allen Seiten hin, und ließen dem Teufel das Feld. Da dachte sich der Teufel: Nun will ich's bei den muthigen Deutschen versuchen; und er kam nach Schwabenland, wo er wußte, daß die Tapfersten unter ihnen wohnen, und daß sie's, wie die Sage geht, selbst mit dem Teufel auf dem freien Feld aufnehmen. Die Schwaben, wie sie das Unthier sahen, waren nicht faul, sondern sandten Boten nach allen Gegenden Deutschlands, und verlangten, in des Reiches Namen, von jeglichem Volk das Contingent. Also stellten sich Bayern und Oesterreicher, Franken und Sachsen, sammt denen vom obern und niedern Rhein; nur die Schweizer blieben aus, die Kühmelker, die Milchsuppen, die Käspantscher. An der Spitze aber marschirten wir, die Schwaben, sieben Mann hoch. Und wir stießen auf den Feind unweit Ueberlingen am Bodensee. Aber, sieh da! wie wir nun anrückten, wir Schwaben, in voller Hitze, immer vorwärts; da liefen indeß die übrigen alle davon, die Franken voran, drauf die andern, und die Oesterreicher deckten den Rückzug; und wir, die Sieben, sind mutterseelenallein zurückgeblieben, und haber das Abenteurer bestanden, zum ewigen Ruhm der Schwaben. – Das ist die wahrhaftige Geschichte von der schwäbischen Hasenjagd; und wer's anders erzählt aus Mißgunst, der lügt, sag'[155] ich. Und sagt's nur jedem, daß ich's gesagt habe, ich, der Spiegelschwab.«


Lügen ist fein sicherlich,

Doch verbergens etliche meisterlich.


Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 154-156.
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