Wie der Spiegelschwab in Lindau sich für einen Wurmdoctor ausgibt.

[157] Lindau heißt das deutsche Venedig. Stadt und Wasser sind zwar um Vieles kleiner, als die wälschen; aber lieblich ist's doch dorten, und schön und groß. Absonderlich wenn man am Hafen steht; da wimmelt's von Menschen, und es kommen hier Leute zusammen aus allen Weltgegenden, sogar aus der Schweiz. Da dachte der Spiegelschwab: hier wäre gut zu sein, wenn man nur Geld hätte. – Noth lehrt beten, und noch etwas Anderes. Kurz, er hatte den Einfall, einen Wurmdoctor zu spielen, um zu Geld zu kommen. Der Allgäuer, dem er seinen Plan anvertraute, schüttelte zwar den Kopf, und meinte, man könnte sie ertappen auf dem Betrug. Jener aber sagte: »Dafür solle er nur ihn sorgen lassen; und kurzum: mundus vult, sagte er: glaub's mir nur, Allgäuer!« »Ich muß wohl,« sagte[157] der Allgäuer, indem er in seinem leeren Täschle umher stürte. Also sammelten sie auf der Straße fleißig, was sie an Trockenem und Nassem fanden, und das eine, das Pulver, vertheilten sie in kleine Packetlein, und das andere, die Latwerge, thaten sie in einen Tegel, den sie hatten mitgehen lassen. Des andern Tags wurde dann die Bühne auf dem Hafendamm aufgeschlagen; der Spiegelschwab zeigte sich als ein Doctor, in Mantel und Barett, und mit einem Knebelbart geziert, den er einem schwarzen Bock ausgerauft; der Allgäuer aber, der den Hanswurst spielte, war mit einem groben Kotzen angethan, wie ein Fätschenkind, und sah schier aus, wie der steinerne Steffel von Ulm. So bestiegen sie beide die Bühne, und der Hanswurst schrie aus: Allhier sind zu haben allerlei wunderbarliche Mittel, und sagte denn eine ganze Litanei von Wehtagen und Lahmtagen her, die der Doctor, sein Herr heilen könne. Und die Leute kamen herbei, und kauften; und wenn sie ihn fragten, wofür? so antwortete er: für Alles, nur könne er nicht aus alten Weibern junge machen; sonst, sagte er, wäre er freilich ein steinreicher Mann.


Halt nicht viel auf das Geschrei,

Denk, daß es oft verlogen sei.


Quelle:
Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 157-158.
Lizenz: