Dreyzehnter Auftritt.

[34] Graf Reitbahn. Baron Forstheim. Der Major und die Vorigen.


REITBAHN. Ha meine liebste Schwiegermama! Er küßt ihr die Hand. Wie gehts? hat mich Blumenkranz nicht verklagt, daß ich ihn umgeschmissen habe?

BARONINN. Das haben Sie aber nicht gut gemacht, Graf von Reitbahn.

REITBAHN. Ein großer Stein war Ursach. – Und Sie meine schöne Braut! Er küßt ihr die Hand. Da sehen Sie nun, daß es mit uns Beyden Ernst wird. Sie haben es nicht glauben wollen. Wahrhaftig! – schön wie ein Engel – was für Vergnügen – Sie nur zu sehen!

LEONORE. Sie hätten dieses Vergnügen eine halbe Stunde früher haben können.

REITBAHN. Nicht doch! ich war kaum eine Viertelstund'im Stalle – und wäre gewiß länger geblieben, wenn ich nicht meine schöne Braut dort vermißt hätte. Er küßt ihr noch einmal die Hand.

BARON. Vermißt? – hätte sie dich nicht etwa im Stalle erwarten sollen?

REITBAHN. O wie würd' ich ihr geschmeichelt haben – dem lieben kleinen Polederchen!


Leonore, der Hauptmann, und der Major sehen einander an.


LEONORE. Sie sagen mir ja die verbindlichsten Dinge.[34]

REITBAHN. Wissen Sie Mama, was mich so lang im Stall aufgehalten hat?

BARONINN. Vermuthlich die Ordnung, die Sie da fanden? die Portraits?

REITBAHN. Nein – o das ist ein närrischer Gedanke, die alten Ritter dahinunter zu hängen.

BARON. Wohl wahr! Wer Geyer mein Schatz, hat alle meine Vorältern im Stall aufgehängt?

BARONINN. Ich werd' es dir schon sagen, mein Schatz. Nu Graf Reitbahn?

REITBAHN. Des Herrn Major seine Schäcken, die im andern Stalle stehen, haben mich so lang' aufgehalten. Der Teufel das sind schöne Thiere! – aber sinds wirklich Böhmen, Herr Major?

MAJOR. Böhmische Gestütpferde.

REITBAHN. Parbleu! Für Böhmen sind sie schön. Und sechsjährig! – aber probieren möcht' ich sie einmal, wenn Sie erlaubten.

MAJOR. Von Herzen gern; wann Sie wollen.

REITBAHN. Parola! nach dem Essen. Wenn sie so gut, als schön sind, so ist das der erste von allen Postzügen, die ich kenne.

BARON. Der Herr Major hat lauter schöne und gute Sachen. Er hat mir heute zween ungarische Windhunde geschenkt; es sind keine in Europa. Müd und matt, denn sie kamen erst gestern an, hat jeder sechs Hasen solo gefangen.

REITBAHN. Apropos Frau Schwiegermama! Fräulein Braut! wissen Sie, was mir geschah, als ich das vorigemal von hier nach Hause ritt?

BARONINN. Nu?

REITBAHN. Der schöne Falbe – mein bestes Reitpferd – ich möchte weinen –

BARONINN. Was ist ihm geschehen?[35]

REITBAHN. Der ist hin.

BARONINN. Der schöne Falbe, hin?

REITBAHN. Hin! hin! ich muß ihn etwas zu viel angespornet haben; er wurde mir noch eben die Nacht krank, und krepirte den folgenden Tag. Ich war drey Tage fast närrisch um den Gaul. Daran sind Sie Schuld Fräulein Braut: sehen Sie, was man ihrer Liebe alles aufopfert!

LEONORE. Ich betaure Sie recht sehr; aber noch mehr den armen Falben.

REITBAHN. Er war der beste Grabensetzer, den ich in meinem Leben gesehen habe: auch in England ist keiner.

BARON. Der Geyer! das wär' ein Gaul zum Hasenhetzen gewesen?

REITBAHN. Zu jedem Gebrauch; aber in England, beym Wettrennen, hätte man ihn am besten nützen können.

BARONINN. Reden Sie nichts von England Herr Schwiegersohn! Graf von Blumenkranz hat uns eben erzählt, welch ein schlechter Ort London, in Vergleichung mit Paris, ist.

REITBAHN. Blumenkranz weiß den Teufel. Er wußte London nicht zu genießen. Parbleu! ich kam dort manchen Tag auf das achte, neunte Pferd; und gewann öfters meine vier, fünf hundert Guineen in einem einzigen Rennen. Wer kann das von Paris sagen?

BARON. Aber wie hast du es denn angestellt, daß du dir nicht den Hals gebrochen?

REITBAHN. Das achtet man dort nicht; man hat Ehre davon.

BLUMENKRANZ. Mein Hals hätte heut weniger riskirt, wenn dir diese Ehre damals zu Theil worden wäre.[36]

REITBAHN. Aber Fräulein Braut! Sie sprechen gewiß von den schönen Schäcken so viel mit dem Herrn Major? nicht wahr, das wär' ein Postzug für uns?

LEONORE. Er gefällt mir ungemein.

BARONINN. Dir hat kein Postzug zu gefallen! Lisette! man soll die Speisen auftragen.

REITBAHN. Ich bitte um Vergebung Mama: mich freut es, wenn sie Pferde liebt. Das sicherste Merkmahl eines nobeln Gemüths. Geduld Fräulein Braut! wer weiß, ob sie uns der Major nicht zukommen läßt? Ein paar hundert Dukaten – Die Herren Offiziers brauchen öfters Geld. Sie nehmen mirs nicht übel; ich rede gern frey.

MAJOR. So frey Sie wollen, es geht den Herren Stadtcavaliers auch nicht anders.

REITBAHN. Eben so! das Geld ist nirgends beständig, als bey den Landjunkern. Die werden täglich reicher, und wir in der Stadt ärmer.

BARON. Wirthschaftet wie wir! reiset nicht so oft nach Paris! äffet weniger die Windbürschel nach, die euch läppische Moden aus Frankreich bringen; so wird es euch nicht immer am Gelde mangeln! – Auch ich rede gern frey.

BLUMENKRANZ. Gar zu frey, Herr Baron! Sie führen eine insüportable Sprache.

REITBAHN. Und doch, Blumenkranz! ich finde, daß mein Schwiegervater Recht hat. Ich könnte dir gleich ein halb Dutzend unsrer reichsten Familien nennen, die durch eine einzige Pariserreise arm geworden sind. Und was haben sie dafür? daß sie in Frankreich und Deutschland ausgelacht werden. Da ist London ein andrer Ort: dort kann wenigstens ein guter Reiter reich werden.

BARON. Ich habe den Geyer von beyden! die Parforcejagd ausgenommen, versteht man weder in Frankreich noch England etwas von der Jagd. Meine zween Windhunde –[37] der Sultan allein, ist mir lieber als alle hochgepriesenen Londner und Pariser Herrlichkeiten.

BLUMENKRANZ seitwärts gegen das Parterr. Ich kann den ungehobelten Baron nicht ansehen.


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 3, Wien 1802, S. 34-38.
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