Fünfter Auftritt.

[14] Leonore. Die Vorigen.


DIE BARONINN. Hör Leonore! mit welcher Contenance wirst du heute den Grafen von Reitbahn empfangen?

LEONORE. Mit derjenigen Höflichkeit, die ich einem Cavalier schuldig bin, den mir Euer Gnaden zum Bräutigam erlesen.

DIE BARONINN. Da sprichst du recht schön – nur nicht alles, was ich hören will. Wird aus deiner Höflichkeit[14] auch das Merkmahl derjenigen Liebe blicken, die der Graf von dir erwartet?

LEONORE. Wenn er nur nicht zu viel erwartet.

DIE BARONINN. Du kannst wohl schließen, daß ein Mann seines gleichen, ein so vornehmer, reicher Cavalier das Recht habe, von seiner Braut recht viel Liebe zu fodern – noch weit mehr als Du von ihm fodern darfst.

LEONORE. Ich fodre zwar gar keine Liebe von ihm – allein – mein Bräutigam, dächt ich, könnte sich durch nichts in der Welt das Recht erwerben, mich weniger zu lieben, als ich ihn liebte.

DIE BARONINN. Wie zweydeutig! Du foderst keine Liebe von dem Grafen? – Du weißt doch, daß er dein Gemahl wird?

LEONORE. Ich weiß, daß mir ihn E.G. bestimmet haben.

LISETTE. Mir fängt an bange zu werden.

DIE BARONINN. Leonore! du sprichst heute so dumm, wie es kein Mensch von meiner Tochter vermuthen sollte.

LEONORE. Ich weiß nicht gnädige Mama – diese Dummheit – sie ist vielleicht eine Folge der Unordnung ...

DIE BARONINN. Welcher Unordnung? – heraus damit!

LEONORE. Der Unordnung, worin sich mein Herz befindet.

DIE BARONINN. Dein Herz sollt aber in der besten Ordnung seyn – es wäre denn, allzuheftige Freude über dein Glück brächt' es aus seiner Fassung. Sag mir doch: bist du denn nicht vollkommen mit der Wahl zufrieden, die ich für dich getroffen habe? – sprich –[15]

LEONORE. Gnädige Mama! – ich werde – ich muß mit allem zufrieden seyn, was Sie beschließen.

DIE BARONINN. Du mußt? – freylich mußt du – Seitwärts. wahrhaftig, da stecken Geheimnisse verborgen. – Aber gesetzt, ich hätte dir selbst die Wahl überlassen; hättest du denn nicht auch den Grafen von Reitbahn gewählet?

LEONORE. Ich zweifle sehr.

DIE BARONINN. Wen denn sonst? Kennest du jemanden, der dir anständiger wäre? – Keine Umstände! rede!

LEONORE. Ach gnädig Mama! dürft' ich, ohne Sie gegen mich aufzubringen, mein Gefühl, nicht bloß meine Zunge sprechen lassen ...

DIE BARONINN. Bloß dein Gefühl soll sprechen!

LEONORE. So muß ich also sagen, daß mir der Herr – Major von Rheinberg weit besser gefällt als Graf Reitbahn.

DIE BARONINN. Der Major von Rheinberg? Ein allerliebster Gedanke! Da würdest du eine schöne Narrheit begehen. Eine charmante Parthie!

LEONORE. Gnädige Mama! nach dem Ausspruche meines unerfahrnen Herzens, ist er ein sehr liebenswürdiger Mann.

DIE BARONINN. Ein süßer Coridon, ein empfindsamer Narr ist er; nichts anders. Laß dir den albernen Gedanken verrauchen – zwar ist es ohnehin vergeblich, ihn zu nähren, so viel siehst du wohl selbst ein: allein du würdest in der ganzen Welt lächerlich werden, wenn ein Mensch etwas davon erführe. O ihr Mädchen! wie sehr solltet ihr dem Himmel danken, wann er euch kluge und sorgsame Mütter gibt! – Lisette! bey Leibe sag keinem Menschen etwas davon!


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 3, Wien 1802, S. 14-16.
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