Zweyter Auftritt.

[42] Notarius. Lisette.


LISETTE. Sie kommen noch zu früh, Herr Notarius! die Herrschaften sind noch an der Tafel.

NOTARIUS. Vigilantibus jura scripta sunt, Jungfer Lisette. Lieber zu früh als zu spät. Ich weiß wohl, daß die hohen Herrschaften gnädigst resolvirt haben, erst gegen Abend den Heyrathsbrief in Ordnung zu bringen: allein ich kann schon warten.

LISETTE. O lieber Herr Notarius! ich zweifle noch, ob aus der Heyrath etwas wird.

NOTARIUS. Warum Jungfer Lisette? äußern sich vielleicht impedimenta?

LISETTE. Das nicht: aber der Herr Bräutigam will noch vor dem Verlöbniß mit vier abscheulich schlimmen Hengsten spatzieren fahren; und da wird er sich vermuthlich den Hals brechen.

NOTARIUS. Deus avertat! Der hochgräfliche Herr Bräutigam wird doch die hochfreyherrliche Familie nicht in solchen Jammer versetzen. – Doch Sie scherzen, Jungfer Lisette: immer lustig, immer artig! – wann werd ich denn das Glück haben, auch für Sie einen Contractum matrimonialem aufzusetzen? So schön und[42] artig – sollten Sie nicht auch einst den Anfällen des männlichen Geschlechts nachgeben müssen?

LISETTE. Dazu erwart' ich noch ein Beyspiel von ihrer Nachgiebigkeit, Herr Notarius.

NOTARIUS. Jungfer Lisette! ich bin weichherziger, als sie vielleicht glauben. Auch wir Gelehrte sind nicht von Holz. Wenn ich einmal Gelegenheit fände, mich recht mit Muße gegen Sie zu expectoriren –

LISETTE. Gegen mich?

NOTARIUS. Ja meine unvergleichliche Mamsell, just gegen Sie.

LISETTE. Nu! Wer weiß? ich schätze die Rechtsgelehrsamkeit sehr hoch.

NOTARIUS. Gut! das Zeichen eines billigen Herzens. –


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 3, Wien 1802, S. 42-43.
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