Fünfter Auftritt.

[259] Icilius mit dem Bürger, der im dritten Auftritt den Numitor zu hohlen abgegangen war. Die Vorigen.


ICILIUS.

Halt! haltet Sklaven! Tod und Jammer Dem,

der seine kühne Faust nicht von ihr zieht!

Zurück Unglücklicher!


Zu einem, der Hand an ihr hat.
[259]

VIRGINIA.

O mein Icil!

Werd' itzt ein Schild der Ehre deiner Braut!

ICILIUS sie umarmend.

Virginia! – so ists denn wahr! – o Wuth!

Und Du! Du bists, der sie mir rauben will?

Du Frevler hasts gewagt, Virginien,

die reinste Tugend, zu mißhandeln? Du?

Was hält noch meinen Arm, daß er dieß Schwert

nicht schon in dein verruchtes Herz getaucht?

MARCUS.

Zwar deine Kühnheit ist ganz Rom bekannt.

Allein zum Glück, hat dieses Rom Gesetze,

(und Ihr, ihr Bürger selbst habt sie gemacht!)

Kraft welcher mir dein Drohn nicht Furcht erregt.

Nennt gleich das Mädchen itzt sich deine Braut –

weil sie dadurch vielleicht sich freyer dünkt –

so wird ...

NUMITORIUS.

Sie ist es! Ich betheure dieß.

MARCUS.

Wohl! dieses Liebes-Feur wird Roms Gericht

nicht blenden – so wie dort dein Ungestüm

nicht über Recht und Wahrheit siegen wird.

Denn Roms Gesetze – sind sie gleich für Dich

nie heilig gnug – sind heilig dort befolgt.

ICILIUS.

Ah Heuchler! thörichtster der Heuchler! Ich

Gesetz-Verächter? und dieß sagest du

dem Volke? Glaubt du wohl, daß deine List[260]

nur Einen Römer täuscht? Sie wissen Alle

wie oft ich als Tribut, selbst mir zum Schaden,

für die Gesetze stritt, und Gut und Leben

bey jedem Plebiscit mit Freuden wagte.

Ein Gegner der Gesetze war ich nur,

wann Herrschsucht oder Geitz patrizischer

Tyrannen das durch List betrogne Volk

mit eisernen Gesetzen fesseln wollten.

Kein solch Gesetz wird je mir heilig seyn. –

Ihr Römer kennet längst uns Beyde: fället

ein Urtheil zwischen Mir – und diesem Heuchler,

der Roms Gesetze preist, indem er Roms,

der Menschheit, heiligste Gesetze bricht;

die tugendhafteste der Jungfraun Roms

auf Roms Gerichtplatz raubt, um (Wer kann zweifeln?)

an ihr der Wollust Glut zu kühlen. Auf!

urtheilet zwischen mir und diesem Manne.

RUFFUS.

Wahr ist's! Icil war stets ein Freund des Volks,

und gegen die patrizische Gewalt

ein Damm: wann Alles wich, wich Er ihr nicht.

Auch lieben wir ihn als der Freyheit Stütze.

Doch ists auch wahr, Icil, daß vor Gericht,

nicht hier, die Foderung des Claudiers

geprüfet werden muß.

MARCUS.

So spricht Vernunft.

Seyd mir gepriesen, ihr Beförderer

der Billigkeit! Als biedre, weise Bürger

erkennet ihr, daß jedes Römers Glück

in Unverletzlichkeit der Rechte lieget.

Mein Recht wird vor Gericht noch heute kund!

Ich lad' euch Alle hin; – auch Dich, der hier[261]

vermessen Das von mir ertrotzen will,

was sicher dort ein Rechtsspruch Mir ertheilt!

Hier hätte Glimpf dir mehr als Drohn genützt.

Von eurer Liebe war mir nichts bekannt,

und junger Sklavinnen hab ich so viele,

daß diese mir nicht unentbehrlich wäre.

RUFFUS.

O so begib dich deiner Foderung!

MARCUS.

Es ist zu spät. Nun zwinget mich mein Ruhm,

den drückenden Verdacht, den Er erweckte,

von mir zu wälzen, Rom mein Recht zu zeigen.

RUFFUS.

Rom weiß bis itzo nichts von eurem Streit;

Wir Wenigen ...

MARCUS.

Ihr Wengen seyd mehr,

als Tausende von minderm Werthe. Nein!

ich kann nun euern Wunsch, so ganz er auch

dem meinen ähnlich ist, nicht mehr vollziehn.

Vielleicht, wann meiner Ehre gnug geschehn,

folg ich der Großmuth Trieben – eher nicht:

und dieß hängt von Icils Betragen ab. –

Nun Römer, wißt ihr gnug. Trennt euch! harrt nicht

in Haufen auf die Stunde des Gerichts!

daß die Versammlung nicht Rottirung scheine!

Du Mädchen! folg indeß mir ohne Furcht.

ICILIUS.

Dir folgen?

MARCUS.

Ihrem Herrn![262]

ICILIUS.

Der bist du nicht!

Icils Verlobte soll, beym Jupiter!

nicht deine Sklavinn seyn.

MARCUS.

Beym Jupiter,

und allen Göttern wird des Marcus Sklavinn

nie deine Gattinn! fort! Ergreift sie Knechte!

ICILIUS indem er sein Schwert zücket.

Du stirbst, legt Einer seine Hand an sie.

NUMITORIUS.

Ach haltet ein! – Zu weit treibst du dein Recht,

O Marcus, ists auch wirklich ganz gegründet!

Mir hat Virginius – der edle Mann,

dem Achtung, mit ganz Rom du schuldig bist,

das Mädchen anvertraut, als er zum Heere

für uns zu kämpfen zog. Nimm sie mir nicht,

bevor der Rechtsspruch sie dir zuerkennt!

MARCUS.

Ist sie mir sicher gnug in deiner Hand?

NUMITORIUS.

Ich selbst verbürge mich mit Hab und Ehre.

MARCUS.

Ich nehme nicht die Bürgschaft an.

ICILIUS.

Nun Römer!

begreiffet ihr noch nicht des Frevlers List,

der Großmuth erst geheuchelt, mich zu trügen,

Euch zu bethören? Fühlt ihr nicht den Stolz[263]

des unverschämten Optimaten, der

verdienst- und tugendlos, Verdienst und Tugend

im Vater meiner Braut verachten darf?

O dann seyd ihr schon reif zur Sklaverey,

Ich thöricht, Hülfe noch von euch zu hoffen.

Das Mittel, so mir noch zur Rettung bleibt,

ist, als der letzte Römer zu erblassen!

RUFFUS.

Du irrst Icil! wir billigen es nichts

daß man Virginien vom Oheim trenne.

Du Marcus, kannst sie nicht ihm eh'r entziehn,

als der Decemvir es für Recht erkennt.

So Römer, däucht es mich.

QUINTUS.

Auch Mich!

ALLE.

Uns alle.

MARCUS nach einer Pause.

Wohlan! so kränkend mir der Ausspruch ist –

von meiner Achtung euch zu überzeugen,

nehm' ich ihn an. Sie folge Numitoren –

der Bürgschaft mir für sie zu leisten hat.

NUMITORIUS.

Mit meiner Hab' und mit mir selbst.

MARCUS.

Lebt wohl!


Marcus geht auf der einen, und Lucius, der immer von ferne zugehört hatte, auf der andern Seite ab.


Quelle:
Cornelius von Ayrenhoff: Sämmtliche Werke. Band 2, Wien 1802, S. 259-264.
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