[274] Virginia, Icilius, Numitorius, mit ihnen einiges Volk, und die Vorigen.
ICILIUS.
Decemvir! in des röm'schen Volkes Nahmen,
ruf' ich um Recht, und deinen Schutz dich an.
APPIUS.
Hast du nur Recht, mein Schutz ist dir gewiß.
ICILIUS.
Virginien, die Tochter jenes tapfern
Centurio Virginius, griff heut,[274]
auf offnem Platz, mit frevelhafter Faust
ein Bösewicht ...
APPIUS.
Halt ein! – Du schimpfst Icil!
Dieß ist hier nicht erlaubt.
ICILIUS.
Wer jetzt in Rom
nicht schimpfet – fühlet nicht.
APPIUS.
Ich sprach! – – Zudem!
da für Virginien du Klage führst,
warum im Nahmen Roms? Erborgst du stets
bey Fällen, oft kaum Deines Nahmens werth,
den großen Nahmen Roms? Du bist nicht mehr
Tribun des Volks – das oft, getäuscht von dir,
zum Schaden sich, dir seinen Nahmen lieh.
ICILIUS.
Die unerhörte Schmach, Ihr angethan,
trifft Alle Freyen Roms!
APPIUS.
Vor Allen Mich –
der Aller Wohl aus Pflicht besorgen muß.
Doch ist Virginia die Klägerinn,
wie kömmts, daß Du für sie das Recht begehrst?
ICILIUS.
Sie ist mir schon als Braut verlobt.
APPIUS.
Auch schon
vom Vater dir zur Aufsicht übergeben?
NUMITORIUS.
Nein Herr! Mir übergab der Vater sie,
als Rom zu schützen, er sich Rom entzog.[275]
APPIUS.
Wohl Numitorius! Du bists, der hier
an Vaters Statt ihr Recht verwalten muß.
Sprich!
NUMITORIUS.
Sechzehn Jahre sind es nun, o Herr,
daß Numitoria (durch deren Tod
die liebste Schwester Ich, Virginius
die zärtliche der Gattinnen verlor)
dieß Kind in meinem Haus gebahr. Daselbst
erwuchs es dann bis jetzt, des Hauses Luft
mir und den Ältern stets vor Augen, stets
für eines edlen Vaters Kind, und stets
für seiner werth durch Tugenden erkannt.
Der schreckliche Verdacht, sie sey nicht frey,
sey nur die Frucht von einer Sklaven-Ehe,
kam, weil sie lebt, in keines Menschen Sinn.
Und heute fällt sie Marcus Claudius
hier auf dem Forum an; erkläret sie
für seine Sklavinn und – erfleht sie nicht
bey fremdem Mitleid Schutz, so schleppt ein Schwarm
von seinen Diener sie zur Knechtschaft fort. –
An ihres Vaters Statt begehr ich nun
von Dir, o Herr, und den Gesetzen Roms,
die Ehrenrettung der Beleidigten,
und des Beleidigers Bestrafung.
APPIUS.
Billig!
Unfehlbar wird sein Angriff, öffentlich
vollbracht, durch Zeugen ihm erweislich seyn?
NUMITORIUS.
Durch hundert!
APPIUS.
Diese That, so rasch, so kühn[276]
und so gewaltsam, scheint mir so wie Dir
verdammlich. Marcus soll, beym Jupiter!
der Strafe nicht entgehn – rechtfertigt er
nicht seinen kühnen Schritt durch starke Gründe.
Wer immer frevelhaft die Sicherheit,
die Ruh des freyen Bürgers stört, der zittre –
so lang als Appius Roms Richter ist!
Dieß Numitor, ist Alles, was ich jetzt
zum tröstlichen Bescheid dir sagen kann.
Ob Marcus Anspruch auf Virginien
gegründt, sie Sklavinn oder frey geboren,
wahr oder falsch ihr Nahme sey, bleibt, bis
den Marcus ich vernommen, unentschieden.
ICILIUS.
Wie? Numitors Bericht von der Geburt
Virginiens, entschiede Nichts? auch Nichts
ihr sechzehn Jahre nie bestrittnes Recht? –
Auch hättst du noch den Marcus nicht vernommen?
den Marcus nicht vernommen? O vielleicht
ist dieser Marcus gar dir unbekannt?
Ich kenn' ihn: wisse! dieser Marcus ist
die Schande Roms, ein Niederträchtiger,
ein Kuppler!
APPIUS.
Alles dieß glaub' auf dein Wort
ich nicht. Dein Schmähn beweist mehr deinen Trotz
als seinen Unwerth. Schon verboth ich dir,
an diesem Ort zu lästern; zwing mich nicht,
Gehorsam durch Lictoren dich zu lehren!
Hoff nicht Verwegener, Roms Richterstuhl
der Ehrfurcht heischt, von dir entweiht zu sehn!
VIRGINIA.
O Himmel! mäß'ge dich Icil![277]
APPIUS.
Hier ist
schon Marcus. Numitor! nun ists an uns
auch Ihn zu hören.
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